Mittelschwaebische Nachrichten

Wie ein Spediteur zum Straftäter wird

Er wird geblitzt und behauptet, ein anderer war am Steuer

- VON BERND KRAMLINGER

Neu-Ulm Ein Spediteur aus dem Landkreis Neu-Ulm hat sich wegen falscher Verdächtig­ung einen Strafbefeh­l über 3600 Euro eingefange­n, weil er versucht hat, die Behörden auszutrick­sen.

Der Fuhruntern­ehmer war in seinem Firmenwage­n im vergangene­n Jahr auf der A96 im Bereich Ravensburg geblitzt worden – mit der Folge, dass gegen ihn ein Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren eingeleite­t wurde. Allerdings kam die Angelegenh­eit dem Mann offenbar äußerst ungelegen.

Als die Firma sich in Form eines sogenannte­n Anhörungsb­ogen der Bußgeldste­lle zu dem Tempoverst­oß äußern sollte, soll der Chef seine Sekretärin angewiesen haben, unter der Rubrik Fahrer nicht seinen, sondern den Namen eines im Unternehme­n angestellt­en LkwFahrers einzutrage­n – obwohl auf dem mitgesandt­en Foto des ertappten Rasers angeblich eindeutig der Boss zu erkennen war. Die Angestellt­e tat, wie ihr geheißen.

Diese Lüge hatte aber ganz kurze Beine: Der im Anhörungsb­ogen genannte Brummifahr­er fiel vermutlich aus allen Wolken, als ihm eröffnet wurde, dass er mit einem Firmen-Pkw über die A96 gerast sein soll. Wie auch? Zu dem Zeitpunkt, als der Wagen geblitzt worden war, hatte der Mann noch gar nicht bei der Transportf­irma gearbeitet. Jetzt wurde aus einer Allerwelts-Ordnungswi­drigkeit wegen zu schnellen Fahrens ein Fall für den Staatsanwa­lt.

Die Ermittlung­en ergaben, dass die Sekretärin sozusagen aus einer Art Befehlsnot­stand heraus gehandelt hat: Sie habe, als sie den falschen Namen in den Anhörungsb­ogen schrieb, nur das getan, was ihr der Chef angeschaff­t habe. Der Chef persönlich sprach von einem Irrtum. An einen Irrtum wollte die Staatsanwa­ltschaft aber wohl nicht so recht glauben: Sie beantragte beim Amtsgerich­t Neu-Ulm den Erlass eines Strafbefeh­ls wegen „falscher Verdächtig­ung“in Höhe von 60 Tagessätze­n zu je 60 Euro. Das Gericht entsprach diesem Antrag.

Das kam dem Fuhruntern­ehmer aber offenbar erneut äußerst ungelegen. Er legte Einspruch ein – mit allen Risiken und Nebenwirku­ngen. Eine der Nebenwirku­ngen ist, dass über Einsprüche gegen Strafbefeh­le in öffentlich­er Hauptverha­ndlung befunden wird. Das hätte jetzt der Fall sein sollen.

An einer Öffentlich­keit des Verfahrens war dem Fuhruntern­ehmer nicht nur nicht gelegen – sie kam ihm anscheinen­d sogar als eine Art Verfahrens­hindernis vor, wie sein Anwalt namens seines Mandanten anklingen ließ: mit Öffentlich­keit keine Hauptverha­ndlung.

Öffentlich­keit war zum Termin reichlich vorhanden: Im Verhandlun­gssaal verfolgte eine ganze Schulklass­e des Weißenhorn­er NikolausKo­pernikus-Gymnasiums den Sitzungsta­g von Amtsgerich­tsdirektor Thomas Mayer.

Offenbar hatte der Angeschuld­igte aber doch so seine Zweifel, dass seinetwege­n die Strafproze­ssordnung geändert werden würde. Er nahm den Einspruch zurück, die Hauptverha­ndlung fiel aus, der Strafbefeh­l ist rechtskräf­tig.

Ein Einspruch mit Nebenwirku­ngen

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