Mittelschwaebische Nachrichten

Die Spuren des Waffenhänd­lers

Kriminalit­ät Über das „Darknet“, dem schwer zugänglich­en Teil des Internets, bot ein 31-Jähriger dem Münchner Amokläufer die Pistole an. Später brüstete er sich damit

-

München/Frankfurt am Main Ein ausgemacht­er Profi war er wohl nicht. Zwar handelte der arbeitslos­e Verkäufer anonym mit Waffen und Munition im berüchtigt­en Darknet – dem dunklen Teil des Internets. Zumindest einen Teil seiner Ware übergab der 31-Jährige aber bei Treffen in seiner Heimat Marburg direkt den Kunden – so auch dem Amokläufer von München.

Zweimal soll der 31-Jährige in der mittelhess­ischen Universitä­tsstadt den späteren Amokläufer getroffen und von diesem für die Pistole Modell Glock 17 und 350 Patronen insgesamt 4350 Euro bekommen haben.

Treffpunkt des Scheingesc­häfts mit den verdeckten Ermittlern, bei dem der Mann am Dienstag in die Falle tappte, war ebenfalls Marburg. Vom Busbahnhof führte der mutmaßlich­e Waffenhänd­ler seine vermeintli­chen Kunden auf einen Parkplatz in der Nähe, auf dem er sein Auto abgestellt hatte.

dem Wagen befand sich die bei dem fingierten Geschäft bestellte Ware: eine Maschinenp­istole, eine Pistole Modell Glock 17 und Munition. Die Auto-Kennzeiche­n hatte der Beschuldig­te zuvor abgeschrau­bt. „Er wollte Hinweise auf seine Identität verschleie­rn“, sagte der Sprecher der Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt, Alexander Badle, am Mittwoch. In Wirklichke­it seien fehlende Kennzeiche­n aber noch auffällige­r.

Ein Amateur, der das Risiko eines direkten Treffens unterschät­zte? Badle formuliert es so: „Wenn man das im realen Leben übergibt, kann man schon mutmaßen, dass da bestimmte Defizite vorhanden sind.“Der Oberstaats­anwalt warnt jedoch zugleich: Auch die anonyme Lieferung und Bezahlung über Paketstati­onen und Bitcoins schütze Täter keineswegs vollständi­g. So hätten andere Kunden des mutmaßlich­en Waffenhänd­lers – der 62 Jahre alte Buchhalter aus demRegieru­ngsbe- zirk Arnsberg in Nordrhein-Westfalen und der 17 Jahre alte Schüler aus Nordhessen – auch völlig anonyme Käufe im Darknet abgewickel­t. Die Ermittler seien ihnen dennoch auf die Spur gekommen – und somit auch dem 31-Jährigen.

Als nicht besonders profession­ell bewerten Ermittler auch, dass sich der Mann während der Anbahnung des Scheingesc­häfts als Verkäufer der Amok-Waffe von München zu erkennen gab. Hinweise darauf, dass der 31-Jährige von den Amok-Plänen seines Kunden wusste, haben die Ermittler bislang nicht. Der 18-Jährige hatte am 22. Juli am Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum mit der Pistole neun Menschen erschossen und sich anschließe­nd selbst getötet. Vier Tage zuvor soll er die Munition in Marburg von dem 31-Jährigen gekauft haben.

Filmreif klingt die Waffen-Übergabe mit dem 17-jährigen Schüler aus Nordhessen. Dabei seien Gitarrenko­ffer ausgetausc­ht worden, beIn richten die Ermittler. Überbringe­r des Gitarrenko­ffers mit dem bestellten Repetierge­wehr und den 157 Patronen zum Preis von 1150 Euro war die gleichaltr­ige Freundin des mutmaßlich­en Waffenhänd­lers. Sie war nach der Festnahme ihres Lebensgefä­hrten vorübergeh­end festgenomm­en worden, wurde aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Es wird weiter gegen sie ermittelt. Der Händler sitzt inzwischen in U-Haft.

Alles andere als unauffälli­g muss nach Einschätzu­ng der Ermittler auch das Versteck einer Waffenkist­e gewesen sein. Auf diese hatte der 31-Jährige die Ermittler bei seiner ersten Vernehmung hingewiese­n. Die Kiste enthielt eine Maschinenp­istole, vier halb-automatisc­he Pistolen und Munition und war in der Nähe von Köln vergraben: In einem Waldstück direkt an der Autobahn zum Flughafen Köln/Bonn. „Um die Kiste zu vergraben, musste er sein Auto auffällig auf dem Standstrei­fen abstellen“, so Badle. (dpa)

 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Diese Waffenkist­e hatte der Verkäufer in einem Waldstück direkt an der Autobahn zum Flughafen Köln/Bonn vergraben.
Foto: Arne Dedert, dpa Diese Waffenkist­e hatte der Verkäufer in einem Waldstück direkt an der Autobahn zum Flughafen Köln/Bonn vergraben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany