Mittelschwaebische Nachrichten
Das Beste kommt zum Schluss
Seinen letzten internationalen Wettkampf beendet Fabian Hambüchen mit Gold. Damit geht seine Karriere glanzvoll zu Ende. Ein Andenken bekommt er nach Hause geliefert
Rio de Janeiro Als Fabian Hambüchen oben auf dem Siegerpodest die deutsche Hymne hört, bleibt ihm keine Zeit, gedanklich abzuschweifen und seine Tat historisch einzuordnen. Stattdessen: „Ich musste aufpassen, dass ich keinen Texthänger bekomme.“Der Reck-Olympiasieger singt mit, die Nation freut sich mit. Millionen sehen am Dienstag im deutschen Fernsehen, wie sich der 28-jährige Dauerbrenner der deutschen Turner einen goldenen Abgang verschafft.
Beim letzten Auftritt nach vier Sommerspielen hat er seinen Kindheitstraum wahr gemacht. Nach Bronze 2008 in Peking, Silber 2012 in London ist er 2016 in Rio am Ziel. Gold. Verständlich, dass die Gefühle überschwappen. „Das reine Chaos“, beschreibt der Student an der Sporthochschule Köln sein Innenleben.
Es ist ja auch eine unglaubliche Geschichte: „Noch vor einigen Monaten konnte Hambüchen „nicht einmal die Kühlschranktür aufmachen“, erzählt Vater Wolfgang. Derart heftig schmerzte die angerissene Sehne in der Schulter, dass der Sohn die Hilfe von höchster olympischer Stelle annahm. IOC-Präsident Thomas Bach verhalf ihm zu einem Termin beim Bayern-Arzt HansWilhelm Müller-Wohlfahrt, zudem legte ein Physiotherapeut Hand an.
Das gemeinsame Wirken hatte Erfolg. Der 28-jährige Hambüchen bekam für seinen Abschied noch einmal die große Bühne Olympia. Für alle Geräte ist er nicht gesund genug, aber am Reck geht er als Nummer eins in den Endkampf. Er turnt seine Übung mit dem Ausgangswert von 7,3 nahezu perfekt: 15,766 Punkte. „Natürlich haben wir überlegt, ob wir noch zusätzliche Schwierigkeiten draufpacken sollten. Aber wir haben es immer so gehalten, dass wir nur das turnen, was wir auch vorbereitet haben.“Die immer spektakuläreren Flugshows sieht Hambüchen skeptisch und er wird vom Niederländer Epke Zonderland bestätigt. Der London-Olympiasieger verfehlt bei einem Salto die Reckstange. „Mir ist das schon mal bei der Europameisterschaft passiert, ich habe damals nicht weitergemacht“, so Hambüchen. Zonderland schon. Aber aus dem Kreis der Medaillenanwärter ist er ausgeschieden. „Ich bin der Letzte, der sich darüber freut“, zeigt sich Hambüchen kollegial.
Er muss warten, bis auch der letzte Turner seine Übung abgeschlossen hat. Die Nervenanspannung ist riesig. „Es hätte ja noch einer kommen und an mir vorbeiziehen kön- nen.“Einer wie der Amerikaner Danell Leyva. Aber dieser zeigt leichte Unsicherheiten und so kann Hambüchen endlich jubeln.
Mit dem Olympiasieg hat sich der Kreis geschlossen. Im Alter von 16 Jahren begann er 2004 in Athen als „Turnfloh“seine Olympia-Tour, an deren Ende hält er die Goldmedaille in Händen. Dazwischen liegen zwölf erfolgreiche Jahre des Familien-Unternehmens mit TrainerVater Wolfgang und Mentalcoach Onkel Bruno. Hambüchen nimmt im Triumph Abschied – mit einer Portion Wehmut: „Nach so einem Erfolg glaubt man, man könnte noch weitere 100 Jahre turnen, aber schon morgen wird mir mein Körper das Gegenteil beweisen.“
Deshalb gilt es, den magischen Moment mit handfestem Material zu bewahren. Der Sieger will das Reck von Rio in seine Trainingshalle nach Wetzlar stellen. Kosten wird ihn dies nichts. „Fabian muss das Reck nicht kaufen, wir unterstützen ihn seit Jahren und ich finde es toll, was er hier in Rio geleistet hat“, sagte Jürgen Garziella, Manager vom Hersteller Spieth Gymnastics, der tz. Der Transport wird von Lufthansa übernommen. „Einfach genial, dass es mir jetzt vor die Haustür geliefert wird“, sagte Hambüchen.
Der Olympiasieger als Turner im Ruhestand? „Das werde ich wohl so richtig erst begreifen, wenn ich Zuhause bin und nicht mehr täglich in die Halle muss.“Möglicherweise wird er noch ein paar Bundesligakämpfe machen, aber die Konzentration gilt nun dem Studium. Im Herbst wird er zudem ein paar Wochen als Vertretungslehrer am Koblenzer Asterstein-Gymnasium arbeiten. „Den Job hat mir ein Kumpel vermittelt, und ich werde das als Praktikum nutzen“, sagte Hambüchen. „Er wird ganz normalen Sportunterricht geben“, kündigte Wolfram Krauß, stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums an.