Mittelschwaebische Nachrichten

Das Beste kommt zum Schluss

Seinen letzten internatio­nalen Wettkampf beendet Fabian Hambüchen mit Gold. Damit geht seine Karriere glanzvoll zu Ende. Ein Andenken bekommt er nach Hause geliefert

- VON PETER DEININGER

Rio de Janeiro Als Fabian Hambüchen oben auf dem Siegerpode­st die deutsche Hymne hört, bleibt ihm keine Zeit, gedanklich abzuschwei­fen und seine Tat historisch einzuordne­n. Stattdesse­n: „Ich musste aufpassen, dass ich keinen Texthänger bekomme.“Der Reck-Olympiasie­ger singt mit, die Nation freut sich mit. Millionen sehen am Dienstag im deutschen Fernsehen, wie sich der 28-jährige Dauerbrenn­er der deutschen Turner einen goldenen Abgang verschafft.

Beim letzten Auftritt nach vier Sommerspie­len hat er seinen Kindheitst­raum wahr gemacht. Nach Bronze 2008 in Peking, Silber 2012 in London ist er 2016 in Rio am Ziel. Gold. Verständli­ch, dass die Gefühle überschwap­pen. „Das reine Chaos“, beschreibt der Student an der Sporthochs­chule Köln sein Innenleben.

Es ist ja auch eine unglaublic­he Geschichte: „Noch vor einigen Monaten konnte Hambüchen „nicht einmal die Kühlschran­ktür aufmachen“, erzählt Vater Wolfgang. Derart heftig schmerzte die angerissen­e Sehne in der Schulter, dass der Sohn die Hilfe von höchster olympische­r Stelle annahm. IOC-Präsident Thomas Bach verhalf ihm zu einem Termin beim Bayern-Arzt HansWilhel­m Müller-Wohlfahrt, zudem legte ein Physiother­apeut Hand an.

Das gemeinsame Wirken hatte Erfolg. Der 28-jährige Hambüchen bekam für seinen Abschied noch einmal die große Bühne Olympia. Für alle Geräte ist er nicht gesund genug, aber am Reck geht er als Nummer eins in den Endkampf. Er turnt seine Übung mit dem Ausgangswe­rt von 7,3 nahezu perfekt: 15,766 Punkte. „Natürlich haben wir überlegt, ob wir noch zusätzlich­e Schwierigk­eiten draufpacke­n sollten. Aber wir haben es immer so gehalten, dass wir nur das turnen, was wir auch vorbereite­t haben.“Die immer spektakulä­reren Flugshows sieht Hambüchen skeptisch und er wird vom Niederländ­er Epke Zonderland bestätigt. Der London-Olympiasie­ger verfehlt bei einem Salto die Reckstange. „Mir ist das schon mal bei der Europameis­terschaft passiert, ich habe damals nicht weitergema­cht“, so Hambüchen. Zonderland schon. Aber aus dem Kreis der Medaillena­nwärter ist er ausgeschie­den. „Ich bin der Letzte, der sich darüber freut“, zeigt sich Hambüchen kollegial.

Er muss warten, bis auch der letzte Turner seine Übung abgeschlos­sen hat. Die Nervenansp­annung ist riesig. „Es hätte ja noch einer kommen und an mir vorbeizieh­en kön- nen.“Einer wie der Amerikaner Danell Leyva. Aber dieser zeigt leichte Unsicherhe­iten und so kann Hambüchen endlich jubeln.

Mit dem Olympiasie­g hat sich der Kreis geschlosse­n. Im Alter von 16 Jahren begann er 2004 in Athen als „Turnfloh“seine Olympia-Tour, an deren Ende hält er die Goldmedail­le in Händen. Dazwischen liegen zwölf erfolgreic­he Jahre des Familien-Unternehme­ns mit TrainerVat­er Wolfgang und Mentalcoac­h Onkel Bruno. Hambüchen nimmt im Triumph Abschied – mit einer Portion Wehmut: „Nach so einem Erfolg glaubt man, man könnte noch weitere 100 Jahre turnen, aber schon morgen wird mir mein Körper das Gegenteil beweisen.“

Deshalb gilt es, den magischen Moment mit handfestem Material zu bewahren. Der Sieger will das Reck von Rio in seine Trainingsh­alle nach Wetzlar stellen. Kosten wird ihn dies nichts. „Fabian muss das Reck nicht kaufen, wir unterstütz­en ihn seit Jahren und ich finde es toll, was er hier in Rio geleistet hat“, sagte Jürgen Garziella, Manager vom Hersteller Spieth Gymnastics, der tz. Der Transport wird von Lufthansa übernommen. „Einfach genial, dass es mir jetzt vor die Haustür geliefert wird“, sagte Hambüchen.

Der Olympiasie­ger als Turner im Ruhestand? „Das werde ich wohl so richtig erst begreifen, wenn ich Zuhause bin und nicht mehr täglich in die Halle muss.“Möglicherw­eise wird er noch ein paar Bundesliga­kämpfe machen, aber die Konzentrat­ion gilt nun dem Studium. Im Herbst wird er zudem ein paar Wochen als Vertretung­slehrer am Koblenzer Asterstein-Gymnasium arbeiten. „Den Job hat mir ein Kumpel vermittelt, und ich werde das als Praktikum nutzen“, sagte Hambüchen. „Er wird ganz normalen Sportunter­richt geben“, kündigte Wolfram Krauß, stellvertr­etender Schulleite­r des Gymnasiums an.

 ??  ??
 ?? Fotos: dpa-Archiv/afp ?? 2004 begann in Athen die olympische Karriere des Fabian Hambüchen (links). Es folgten Auftritte in Peking, London und jetzt in Rio. Seine Ausbeute: Bronze (2008), Silber (2012) und Gold (2016, rechts) an seinem Lieblingsg­erät Reck.
Fotos: dpa-Archiv/afp 2004 begann in Athen die olympische Karriere des Fabian Hambüchen (links). Es folgten Auftritte in Peking, London und jetzt in Rio. Seine Ausbeute: Bronze (2008), Silber (2012) und Gold (2016, rechts) an seinem Lieblingsg­erät Reck.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany