Mittelschwaebische Nachrichten
Ist der DFB-Pokal ein Risiko für Amateurklubs?
Auflagen des deutschen Fußballverbandes sorgen für Probleme. Ein Beispiel: FCA-Gegner Ravensburg
Ravensburg Es sind stressige Tage für Peter Mörth und seine Mitstreiter, mit wenig Schlaf und vielen Zweifeln. Haben wir an alles gedacht? Wird alles reibungslos klappen? „Persönlich geht das an die Schmerzgrenze“, sagt der Sportliche Leiter des FV Ravensburg. Der baden-württembergische Oberligist hat seinen Landespokal gewonnen und eröffnet am Freitag (20.45 Uhr) die alljährlichen Spiele zwischen David und Goliath: Gegner ist der FC Augsburg.
Sowohl die Oberschwaben als auch die bayrischen Schwaben hätte es schlechter treffen können. Dumm nur: Der FV Ravensburg hat kein richtiges Heimspiel, sondern zieht ins 25 Kilometer entfernt gelegene Pfullendorf um. „Wir hatten wegen den geforderten DFB-Standards keine Wahl“, erzählt Mörth, „auch wenn aus meiner Sicht viele unnötige Dinge verlangt werden“. Der 55-Jährige hatte auch in Ulm oder Memmingen angefragt, ehe sich Pfullendorf als beste Lösung erwies. Nun zahlt der Gastgeber zusätzliche 7500 Euro an Stadionmiete, stellt Shuttlebusse, damit die erhofften 8000 Zuschauer anreisen können. 13 000 Euro verschlingen Fahrtkosten der Gäste und Schiedsrichterhonorare. „Ein Wahnsinnskraftakt“, sagt Mörth, „wir brauchen schon 5000 Besucher, damit wir plusminus null aus der Sache herauskommen, denn die Zuschauereinnahmen werden geteilt.“Ohne die Unterstützung der benachbarten Vereine wäre die organisatorische Herausforderung nicht zu stemmen.
Es fließen vom DFB zwar 140 000 Euro Garantiesumme, davon sind aber Podeste für die Kameras oder der Sicherheitsdienst zu bezahlen. Funktionär Mörth beteuert: „Du brauchst einen Bundesligisten, um das zu refinanzieren. Sonst ist der Pokal ein Schuss ins Knie.“Hohe Anforderungen stellt auch die beauftragte Produktionsfirma, da jedes Pokalspiel vom Bezahlsender Sky übertragen wird. Kleinere Klubs fühlen sich erdrückt, weil sie sich Ausweichstätten suchen müssen. Das eine Mal reicht die Fluchtlichtanlage nicht aus, das andere Mal fehlt ein Trennzaun für Gästefans. Der Verlust des Heimrechts schmerzt auch den Bremer SV. Der Bremen-Ligist hat aus grauer Vorzeit noch ein rühriges Stadion („Panzenberg“), wo früher regelmäßig Pokalspiele stattfanden. Gegen Bundesligist SV Darmstadt (Sonntag 15.30 Uhr) „wollten wir eigentlich am Panzenberg spielen“, beteuert der BSV-Vorsitzende Peter Warnecke. Die Zäune zur Trennung der Fans waren ebenso geplant wie ein Raum für die Polizei zur Fanüberwachung. Doch dann war die Schiedsrichterkabine zu klein. Dem Gespann steht die Freiheit zu, sich auf 20 Quadratmetern zu entfalten. Der BSV konnte nur die Hälfte bieten und weicht – wie im Vorjahr gegen Eintracht Frankfurt – an den Vinnenweg in den Stadtteil Oberneuland aus. Im Vorverkauf sind nur wenige hundert Karten weggegangen. Es droht ein Trauerspiel ohne Flair.
Der eigentlich dort ansässige FC Oberneuland ist ein gutes Beispiel, was alles im Pokal schiefgehen kann. Bis heute ist nicht geklärt, ob im Sommer 2012 der Umzug ins Weserstadion für das Pokal-Spiel gegen Borussia Dortmund die nachfolgende Insolvenz mitverursacht hat. Auf jeden Fall hatte sich der damalige Regionalligist mit den Kosten gewaltig verkalkuliert. „Der DFB ist mit seinen Auflagen so flexibel wie ein Quaderstein“, klagte Toni Endler vom Bayern-Regionalligisten FV Illertissen bereits vor drei Jahren plakativ.
Der DFB rühmt sich gerne damit, viel Geld für seinen nationalen CupWettbewerb auszugeben. Das stimmt zwar. Doch der Reibach wird ab dem Achtelfinale gemacht, wenn 527000 Euro garantiert sind, die zu Viertel- und Halbfinale jeweils noch verdoppelt werden. Die Amateure sind dann in der Regel außen vor. Sieger FC Bayern kassierte zuletzt allein an Prämien mehr als 7,5 Millionen Euro. Von einem Spiel gegen die Münchner träumen die meisten – diesmal zog Viertligist Carl-Zeiss Jena das große Los.
Für Mörth steht fest, dass an dieser Aussicht für die Amateure nicht gerüttelt werden darf. Er schlägt „die Hände über dem Kopf zusammen“, wenn er sich ein Modell vorstellt, bei dem renommierten Erstligisten die erste oder gar zweite Runde erspart bleibt. Die diskutierte Reform des DFB-Pokals empfindet er als Schlag ins Gesicht. „Warum kämpfen wir uns acht Runden durch den Landespokal? Man hat das Gefühl, alles ist nur noch auf Kommerz ausgerichtet. Es ist traurig, dass man sich solche Gedanken macht.“