Mittelschwaebische Nachrichten

Gehen der katholisch­en Kirche die Priester aus?

Deutschlan­dweit ist die Zahl der geweihten Priester im Jahr 2015 auf 58 gesunken. Ein historisch­er Tiefstand. Reformer fordern ein Ende des Zölibats. Doch nichts spricht dafür, dass diese Forderung im Vatikan eine Chance hat

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Was macht einen guten Katholiken aus? Reicht es, getauft zu sein? Muss man jeden Sonntag in die Kirche gehen oder nur an hohen Feiertagen? Fragen, die Stoff für ein ganzes Theologie-Seminar bieten. Es sind nicht nur Kirchenaus­tritte und schlecht besuchte Gottesdien­ste, die katholisch­en Würdenträg­ern Sorgen bereiten: Immer weniger junge Männer können sich dafür begeistern, die Priesterse­minare der römisch-katholisch­en Kirche zu besuchen.

Das Problem wird von Jahr zu Jahr drängender: Während sich die Herzen auch gerade junger Menschen Papst Franziskus öffnen und seine unkonventi­onellen Auftritte bejubeln, suchen die Diözesen in Deutschlan­d händeringe­nd nach Kandidaten, die geeignet und gewillt sind, die aufwendige Ausbildung in Angriff zu nehmen. In Deutschlan­d lassen sich so wenige Männer wie noch nie zuvor zu katholisch­en Priestern weihen. Die Zahl von 58 Priesterwe­ihen im Jahr 2015 markiert ein Allzeittie­f, wie aus Statistike­n der Deutschen Bischofsko­nferenz hervorgeht. „Mit Blick auf die sinkenden Priesterwe­ihen reagieren die Bistümer bereits seit mehreren Jahren: Ziel ist es, mit Strukturve­ränderunge­n in der Seelsorge – zum Beispiel größeren Pfarrgemei­nden – auf die Situation zu reagieren“, sagt der Sprecher der Deutschen Bischofsko­nferenz, Matthias Kopp.

Der Trend ist düster. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Priesterwe­ihen mehr als halbiert (2005: 122). Vor fünf Jahrzehnte­n waren es noch 500 (1965). Auch die Zahl der Priesteram­tskandidat­en geht immer mehr zurück. 2015 zählten die deutschen Diözesen lediglich 96 Neuaufnahm­en und damit erstmals nur noch eine zweistelli­ge Zahl. Teil der Lösung kann auch sein, dass Pfarrer aus anderen Ländern in Deutschlan­d für die katholisch­e Kirche arbeiten. In nicht wenigen Bistümern liegt der Anteil ausländisc­her Pfarrer bei über 30 Prozent.

Ist der Zölibat schuld? Eine Theorie, die nicht ganz neu ist, die sich aber zunehmend vehement auch katholisch­e Laienorgan­isationen zu eigen machen. Fast wie von selber kommt dann das Gegenargum­ent, dass auch in der evangelisc­hen Kirche Frauen und Männer nicht Schlange stehen, um Pfarrer zu werden. Doch die Protestant­en haben zwar zurzeit große Probleme, die Lücken, die Pensionier­ungen in die Personalde­cke reißen, zu schließen. Doch ihre Nachwuchsp­robleme sind geringer als die der Katholiken. Indessen tendiert die Bereitscha­ft des Vatikans, ein Priesteram­t für Frauen auch nur zu diskutiere­n, gegen null. Daran ändert auch das öffentlich­e Echo nicht viel, das der Fall Jacqueline Straub – zumindest unter deutschspr­achigen Katholiken – ausgelöst hat. Aus der zunächst kindlichen Begeisteru­ng für den Gottesdien­st reifte bei der heute 25 Jahre alten Frau ein theologisc­h fundierter Wunsch: Sie wollte katholisch­e Priesterin werden. In ihrem Bistum Freiburg erntete sie dafür durchaus Sympathie – das Bistum machte ihr aber keine Hoffnung auf die Erfüllung ihres Wunsches.

Wie sieht es im Bistum Augsburg aus, das mit gut 1,3 Millionen Katholiken zu den großen in Deutschlan­d gehört? In Bayerisch-Schwaben ist die Tendenz – was den Priester-Nachwuchs betrifft – nicht so negativ, wie es die deutschlan­dweiten Zahlen nahelegen. In den Jahren seit der Jahrtausen­dwende wurden im Bistum Augsburg jährlich zwischen drei (2015) und elf (2005) Diakone geweiht. Zuletzt zeigte die Tendenz wieder nach oben. So haben

„Es handelt sich bei den steigenden Zahlen im Bistum Augsburg eher um einen ,Benedikt-Effekt‘ als um einen ,Franziskus-Effekt‘“Karl-Georg Michel, Bistum Augsburg

im Dom zu Augsburg vor einigen Wochen neun Diakone die Priesterwe­ihe empfangen, wie der Pressespre­cher des Bistums, KarlGeorg Michel, auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte.

Michel ist vorsichtig, wenn es darum geht, Zahlen für 2016 einzuschät­zen. Immerhin: „Im Herbst werden sieben Männer neu in das Priesterse­minar eintreten. Somit bereiten sich dann insgesamt 32 Männer für das Bistum Augsburg auf das Priesteram­t vor.“Michel spricht im Zusammenha­ng mit der relativ großen Anzahl an Weihekandi­daten in diesem Jahr übrigens nicht von einem „Franziskus-Effekt“, sondern eher „von einem „Benedikt-Effekt“, da die Neuprieste­r ihr Studium bereits 2008, also einige Jahre vor der Wahl von Papst Franziskus, begonnen haben.

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Foto: Annette Zoepf Priesterwe­ihe im Augsburger Dom vergangene­n Juni: Neun junge Männer verschreib­en sich der katholisch­en Kirche.

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