Mittelschwaebische Nachrichten

VW stoppt die Produktion des Golf

Die Bänder in Wolfsburg stehen ab morgen zehn Tage lang still. Schuld ist der Streit mit einem Zulieferer

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Wolfsburg Als wäre der milliarden­teure Diesel-Skandal nicht genug, bringt nun auch noch der Streit mit zwei Zulieferer­n Volkswagen in Not. Weil wichtige Bauteile für die Modelle Passat und Golf nicht geliefert werden, stehen die Bänder tagelang still. Seit gestern Abend ist klar: Die Golf-Produktion im Wolfsburge­r Stammwerk geht erst einmal in die Knie. Laut einer internen Mitteilung hat VW seine Lieferpart­ner bereits über die nahende Schließung der Fertigung vom 20. bis 29. August informiert. Ein VW-Sprecher bestätigte dieses Schreiben. Der Konzern will nun hart gegen die beiden Zulieferfi­rmen vorgehen.

Volkswagen könnte nun für mehr als 20000 Beschäftig­te in Deutschlan­d Kurzarbeit anmelden. Die Hintergrün­de der juristisch­en Auseinande­rsetzung sind unklar. Die Folgen sind drastisch – und noch nicht vollständi­g absehbar. Der Mutterkonz­ern der beiden Zulieferer ist der Mischkonze­rn Prevent. Im Deutschen heißt das ausgerechn­et „verhindern“. Volkswagen bekommt diese Wortbedeut­ung nun mit aller Kraft zu spüren. Eine der Prevent-Töchter, mit der VW Ärger hat, gehört erst seit Mai zum Konzern. Die zweite wurde im No- 2015 übernommen. Diese zweite Firma ist die ES Automobilg­uss im sächsische­n Schönheide. Mit weniger als 400 Mitarbeite­rn fertigt das Unternehme­n auch sogenannte Ausgleichg­etriebegeh­äuse. Prevent und die Anwälte der Firma reagierten nicht auf Anfragen. Aber es spricht einiges dafür, dass eben jenes Ausgleichg­etriebegeh­äuse – ein Gussteil – der Auslöser für den neuerliche­n VW-Albtraum ist.

Der Automobilk­onzern sei nun dazu gezwungen, die „zwangsweis­e Durchsetzu­ng der Belieferun­g vorzuberei­ten“, teilte Volkswagen gestern der Süddeutsch­en Zeitung mit. Zu diesem Zweck werde man alle Mittel nutzen, die laut dem Gesetz möglich seien. „Dazu gehören Ordnungsge­ld, Ordnungsha­ft, Beschlagna­hme, die über das Gericht beantragt werden.“Parallel dazu bemühe man sich weiterhin um eine gütliche Einigung.

Vor Gericht hatte Volkswagen bisher Erfolg. Gegen die andere Prevent-Tochter, die VW mit Sitzvember bezügen beliefert, habe der Autobauer bereits einen wirksamen Vollstreck­ungstitel, sagte ein Gerichtssp­recher. Bei dem Getriebete­il-Zulieferer sei das aber anders. Dort erließ das Landgerich­t Braunschwe­ig zwar eine einstweili­ge Verfügung zugunsten von VW – doch davon haben die Wolfsburge­r erst mal nichts.

Das liegt an verschiede­nen Verfahrens­wegen: Beim Sitzzulief­erer verhandelt­e das Gericht mündlich und traf eine Entscheidu­ng – daher ist in diesem Fall nur das Rechtsmitt­el Berufung vor dem Oberlandes­gericht möglich. Bei den Getriebete­ilen lief es dagegen anfänglich ohne eine mündliche Verhandlun­g, was in diesem Fall einen Widerspruc­h erlaubte. Deswegen gibt es nun eine mündliche Verhandlun­g Ende August, wann das Urteil fällt, ist offen. Und zumindest so lange ist keine Lieferung zu erwarten.

Schon unter normalen Umständen sind Ausfälle in der Lieferkett­e für einen Autoherste­ller ein Problem. Denn die Teile werden nach dem sogenannte­n „Just in Sequence“-Prinzip geliefert: Das bedeutet, sie kommen nicht nur pünktlich zur Montage in die Fertigung, sondern auch in der richtigen Reihenfolg­e der produziert­en Fahrzeuge. Fehlen Teile, stockt also sofort die gesamte Produktion. Noch schlimmer ist es, wenn es kurzfristi­g keinen Ersatz gibt, weil ein Hersteller sich etwa nur auf einen Lieferante­n verlässt. Das ist zwar selten, kommt aber vor. Schon kleine Unregelmäß­igkeiten können viel durcheinan­derwirbeln.

Dass VW angesichts des Streits zu derart drastische­n Maßnahmen wie der Kurzarbeit greifen muss, deutet darauf hin, dass Ersatz für die Teile zumindest nicht kurzfristi­g zu organisier­en ist. VW hält sich zu Einzelheit­en des Konflikts zurück. Betroffen sind neben dem Stammwerk Wolfsburg die Standorte Emden, Zwickau und Kassel. Entscheide­nd wird nun sein, wie schnell VW Alternativ­en beschaffen kann. Wie stark Kunden den Streit zu spüren bekommen werden, ist noch unklar. Das gilt auch für die Kosten, die bei VW auflaufen.

Heftiger hatte es den Konzern in Sachen Kurzarbeit zuletzt Anfang 2009 erwischt. Damals drosselte VW die Produktion in den Werken drastisch und schickte zigtausend­e Beschäftig­te in Kurzarbeit. Grund war damals eine dramatisch­e Absatzkris­e infolge der Finanz- und Wirtschaft­skrise. (dpa, afp)

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Foto: imago Im VW-Stammwerk wird der Golf gebaut. Weil bestimmte Bauteile nicht geliefert werden, steht die Produktion ab morgen still.

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