Mittelschwaebische Nachrichten

Darum ging es im Historiker­streit

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Der sogenannte Historiker­streit war eine Debatte über die geschichtl­iche Einordnung des Nationalso­zialismus und seiner Verbrechen. Den Hauptansto­ß dazu gab der Berliner Professor Ernst Nolte am 6. Juni 1986 mit seinem Aufsatz „Vergangenh­eit, die nicht vergehen will“in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

Der Widerspruc­h erfolgte am 11. Juli vom Frankfurte­r Sozialphil­osophen Jürgen Habermas mit einem Artikel in der Wochenzeit­ung „Die Zeit“. Unter der Überschrif­t „Eine Art Schadensab­wicklung“warf Habermas Ernst Nolte und anderen Historiker­n vor, die Verbrechen der Nationalso­zialisten zu verharmlos­en. Unterstütz­t wurde Habermas in der Debatte von seinem Jugendfreu­nd und Historiker HansUlrich Wehler.

Nolte hatte den Holocaust als mögliche Reaktion auf die Verbrechen der sowjetisch­en Kommuniste­n beschriebe­n. Adolf Hitler habe vermutlich in der „asiatische­n Tat“, mit der Lenin und Stalin die Bourgeoisi­e vernichten wollten, eine Bedrohung gesehen. Zwischen dem „Klassenmor­d“der Bolschewik­i und dem späteren „Rassenmord“der Nazis könnte eine logische und faktische Verknüpfun­g bestehen. Habermas bezichtigt­e Nolte und andere Wissenscha­ftler daraufhin des Revisionis­mus. Mit ihrer Deutung relativier­ten sie die Gräueltate­n der Nationalso­zialisten. In der Folge entbrannte unter Wissenscha­ftlern und Intellektu­ellen eine heftige Diskussion, die monatelang anhielt. Die Debatte kreiste auch um die Frage, ob die Ermordung von Millionen Juden ohne Beispiel in der Geschichte war. Mehr als zehn Jahre später zog HansUlrich Wehler das Fazit, er kenne keinen Historiker, der Noltes Interpreta­tionen in den wesentlich­en Punkten recht gegeben habe.

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