Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Sensation im Vatikan

Kirche Mit Greg Burke leitet erstmals ein gelernter Journalist die Presseabte­ilung des Papstes. Der US-Amerikaner ist ein zutiefst gläubiger Katholik. Privat lebt er nach den strengen Regeln des umstritten­en Opus Dei

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Greg Burke trägt ein dunkelblau­es Jackett statt schwarzem Clergyman, ein weißes Hemd statt Priesterkr­agen. Es sind nur Äußerlichk­eiten, aber dass fortan nicht mehr ein Geistliche­r, sondern ein Journalist die Presseabte­ilung des Papstes führt, ist für den Vatikan wie der Eintritt in eine neue Zeitrechnu­ng. Der Jesuitenpa­ter und Radio-Vatikan-Direktor Federico Lombardi ging am 1. August als päpstliche­r Pressespre­cher in den Ruhestand. Lombardi war geachtet und beliebt, aber eben ein Priester.

Burke hingegen stammt aus der Branche. Der 56-Jährige hat an der renommiert­en Columbia Universitä­t von New York Journalism­us studiert. Seit 1988 arbeitet er in Italien, damals verschlug es ihn als Korrespond­ent für den konservati­ven National Catholic Register nach Rom. Später berichtete er zehn Jahre lang für das Time-Magazin, später war er für den Fernsehkan­al Fox-News als Europa- und Vatikan-Korrespond­ent tätig. Burke ist wegen seiner lockeren Art unter den Kollegen beliebt, er stammt aus St. Louis im US-Staat Missouri und wuchs in einer traditione­ll katholisch­en Familie auf. Als 18-Jähriger trat er der umstritten­en konservati­ven Laienorgan­isation Opus Dei bei, dessen Mitglied er bis heute ist. Burke hat sich demnach den strengen Regeln der Organisati­on verschrieb­en, zu denen auch sexuelle Enthaltsam­keit zählt.

Wie sehr seine Mitgliedsc­haft im Opus Dei ausschlagg­ebend für den Job im Vatikan war, darüber will man in dessen Presseabte­ilung nicht spekuliere­n. Die Kollegen heben seine journalist­ischen Erfahrunge­n hervor, er wisse, was Journalist­en wollen. Zudem sei er ein gläubiger Katholik und bringe ein gewisses Maß an amerikanis­chem Sinn für die Praxis mit. „Ein Skandal ist ein Skandal“, sagte Burke einmal. Als Pressespre­cher verspricht er so viel Offenheit wie möglich und ein vorurteils­freies Zugehen auf die säkularen Medien. Denen gegenüber gibt es im Vatikan bis heute große Skepsis.

An Burkes Linientreu­e gibt es keine Zweifel. Dennoch halten es manche im Vatikan für ein Wagnis, einen locker und gerne in FußballMet­aphern plaudernde­n US-Amerikaner in eine Schlüsselp­osition der Kirche zu befördern. Revolution­är mutet auch die Nominierun­g von Burkes Stellvertr­eterin an. Paloma Garcia Ovejero ist die erste Frau in einem exponierte­n Vatikan-Amt, die 40-jährige Madrilenin war als Korrespond­entin für das Radio der spanischen Bischofsko­nferenz tätig und gehört dem Neokatechu­menalen Weg an. Auch, wenn Papst Franziskus die Beförderun­g von Frauen in wichtige kirchliche Ämter befürworte­t hat – im Männerbetr­ieb Kurie ist das immer noch eine Sensation. Burke und Ovejero, zwei Laien und gelernte Journalist­en, sind die beiden neuen Gesichter des Vatikans. Ihre Berufung ist der sichtbarst­e Aspekt eines Umbruchs, der bereits seit einigen Jahren vor sich geht. Der Vatikan will seine Kommunikat­ion reformiere­n. Ausgenomme­n ist dabei Papst Franziskus, dessen scheinbar greifbare, wenn auch gelegentli­ch missverstä­ndliche Art von den vatikanisc­hen Medienexpe­rten als Glücksfall dargestell­t wird. So positiv sei die katholisch­e Kirche in der Öffentlich­keit schon lange nicht mehr wahrgenomm­en worden, die Begeisteru­ng für den Papst halte auch nach drei Jahren noch an, so lautet die offizielle Darstellun­g. Franziskus in seinem Mitteilung­sbedürfnis zu steuern oder gar zu begrenzen, hält man allerdings für unmöglich. Es habe keinen Sinn, ihn in eine Zwangsjack­e zu stecken, heißt es aus dem Vatikan.

Für die Öffentlich­keit bisher nicht sichtbar nimmt eine MedienRefo­rm konkrete Formen an. Geschuldet ist das Vorhaben einerseits der schlechten Presse aus den letzten Jahren des Pontifikat­s Benedikt XVI. Es war kein Zufall, dass Greg Burke schon 2012, noch während des ersten Vatileaks-Skandals um veröffentl­ichte Geheimdoku­mente aus dem Büro des Papstes, als Medienbera­ter angeheuert wurde. Seine Aufgabe war, den Monsignori die Mechanisme­n moderner Kommunikat­ion beizubring­en, aber auch Pannen zu verhindern. Der Vatikan ließ sich in den vergangene­n Jahren von mehreren Kommission­en beraten. Vor allem die Vorschläge einer von Lord Chris Patten geleiteten Gruppe fanden Gehör, die Beratung durch externe Kommunikat­ionsexpert­en ist inzwischen Routine. Dazu gehört auch die Berufung des ehemaligen ZDF-Intendante­n Markus Schächter als beratendes Mitglied im vatikanisc­hen Sekretaria­t für Kommunikat­ion.

Diese Institutio­n wurde im Juni 2015 von Papst Franziskus als neue vatikanisc­he Zentralbeh­örde für Kommunikat­ion gegründet. Chef wurde der Mailänder und bisherige Leiter des Vatikanfer­nsehens CTV, Monsignor Dario Viganò, den viele heute für eine der einflussre­ichsten Figuren in der Kurie halten. Katholisch­e Traditiona­listen sind irritiert, weil Viganò nicht nur in den Gnaden von Papst Franziskus steht, sondern auch in der klerikalen Hierarchie ganz unten rangiert. Der 54-Jährige ist weder Bischof noch Kardinal, dafür aber ein geachteter Fachmann auf dem Gebiet der kirchliche­n Kommunikat­ion.

Viganò hat nun die Aufgabe, die vielen Medien-Verästelun­gen zu einem modernen Apparat umzubauen. So löste er eine schwerfäll­ige Ideenschmi­ede namens Päpstliche­r Rat für die Sozialen Kommunikat­ionsmittel auf, außerdem unterstehe­n ihm die 335 Mitarbeite­r von Radio Vatikan, das Vatikan-Fernsehen, die Presse-Abteilung, die Vatikanzei­tung Osservator­e Romano, der Vatikan-Verlag, Foto-Dienst und Druckerei. Viganò soll bis Jahresende außerdem die verschiede­nen Internet-Plattforme­n des Vatikans in ein effektives Multimedia-Portal umwandeln. Dort können die Nutzer dann Radiopodca­sts, Videos und sonstige Nachrichte­n über Papst und Vatikan abgreifen.

Die katholisch­e Kirche als weltweite Organisati­on mit 1,2 Milliarden Mitglieder­n hat ihre Möglichkei­ten

Burke lebt offenbar streng enthaltsam Massenmedi­en sieht der Klerus weiter skeptisch

bei Weitem noch nicht ausgeschöp­ft. Das Pressebüro schließt an manchen Tagen bereits um 15 Uhr und ist personell unterbeset­zt. Viganò berichtet von der Nacht der Papstwahl 2013, als die Nutzer ihre Informatio­nen über den weltweit unbekannte­n argentinis­chen Kardinal Jorge Bergoglio nicht etwa vom Vatikan bekamen, sondern die Internet-Enzyklopäd­ie Wikipedia vorzogen. „Wir waren de facto nicht existent für das Publikum“, sagt Viganò. Der Vatikan müsse die bevorzugte Quelle für Informatio­nen aus dem eigenen Bereich werden. Eine der größten Herausford­erungen ist dabei offenbar, die Skepsis des Klerus gegenüber den säkularen Massenmedi­en zu überwinden. Erste Schritte in dieser Hinsicht sind bereits geschehen. Burke lancierte noch unter Benedikt XVI. den päpstliche­n Account beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Franziskus hat heute mehr als 30 Millionen Abonnenten. Der Papst ist auch auf der Foto-Plattform Instagram präsent, sogar einen Facebook-Account können sich die Medienexpe­rten des Vatikans vorstellen. Auch wenn man dort mit missliebig­en Kommentare­n rechnen müsste. Die Kommunikat­ionsexpert­en in der Kurie sind sich der internen Widerständ­e gegen diesen Wandel bewusst. Die Strukturen in der Kirche würden sich ändern, heißt es aus dem Vatikan. Allerdings nur sehr, sehr langsam.

 ?? Foto: Leszek Szymanski, dpa ?? Aufbruch in eine neue Zukunft: Der Journalist Greg Burke (links) löst den Jesuitenpa­ter Federico Lombardi als Pressechef des Papstes ab.
Foto: Leszek Szymanski, dpa Aufbruch in eine neue Zukunft: Der Journalist Greg Burke (links) löst den Jesuitenpa­ter Federico Lombardi als Pressechef des Papstes ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany