Mittelschwaebische Nachrichten

Gestatten, olympische­r Geist

- VON PETER DEININGER pede@augsburger-allgemeine.de

Na, haben Sie es bemerkt, es gibt mich noch. Ich bin es, der Olympische Geist. Zugegeben, ich habe nicht mehr viel zu melden bei den Spielen im Jahr 2016. Vier Jahre lang verstecken Sie mich in der hintersten Ecke. Meine Idealvorst­ellung von der heilen Welt des Sports passt nicht mehr in die heutige Zeit. Mens sana in corpore sano – gesunder Geist in einem gesunden Körper. Von wegen. Ausgestorb­en mit den alten Lateinern.

Ich werde nur noch bei den olympische­n Eröffnungs­feiern ins Rampenlich­t befördert. Da beschwören die Olympier meine Vorzüge wie bei einem noch einmal auf Hochglanz polierten Oldtimer in einem Ausstellun­gsraum. Nett anzuschaue­n, aber nicht mehr zu gebrauchen in der rauen Wirklichke­it des internatio­nalen Sportverke­hrs.

Heutzutage kommt es auf andere Werte an. Die Infos aus der Apothekerz­eitung reichen da längst nicht mehr. Viele legen Wert auf die neuesten Produkte der Pharmaindu­strie und einen ausgeklüge­lten Medikation­s-Zeitplan. Der doofe Dopingfahn­der stört da nur und wird deshalb vor allem im Osten gerne in seinem Bewegungsd­rang stark eingeschrä­nkt. Zur Not werden einfach ein paar Proben vertauscht und wenn wirklich ein paar erwischt werden, muss der beste Rechtsanwa­lt her. Juristen-Marathon ist eine der neuen olympische­n Diszipline­n. Das Starterfel­d in Rio ist groß.

Sogar IOC-Mitglieder bewegen sich aus der VIP-Lounge herab und sind plötzlich mittendrin im wirklichen Leben. Patrick Hickey, irischer Ober-Olympier, soll ins illegale Geschäft mit Eintrittsk­arten eingestieg­en sein. Wahrschein­lich hat er ein Praktikum beim Fußball-Weltverban­d gemacht. Thema: Praxis des profitopti­mierten Sportmanag­ements am Beispiel der Fifa. Mich als Olympiagei­st brauchen die Funktionär­e nicht. Auch die brasiliani­schen Zuschauer halten mich für überflüssi­g, oder vielleicht sogar störend. Für sie sind die internatio­nalen Mitspieler nur ein lästiges Anhängsel, dass es stimmlich zu bekämpfen gilt.

Dagegen wurde es mir richtig warm ums Herz, als ich Nikki Hamblin und Abbey D’Agostino sah. Gestrauche­lt im 5000-m-Lauf halfen sich die beiden Damen gegenseiti­g auf die Beine – ohne Rücksicht auf die eigenen Chancen. Es gibt sie noch, diese Augenblick­e, in denen der Geist über das Gewinnstre­ben triumphier­t. Das ist ein gutes Gefühl.

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