Mittelschwaebische Nachrichten
Gestatten, olympischer Geist
Na, haben Sie es bemerkt, es gibt mich noch. Ich bin es, der Olympische Geist. Zugegeben, ich habe nicht mehr viel zu melden bei den Spielen im Jahr 2016. Vier Jahre lang verstecken Sie mich in der hintersten Ecke. Meine Idealvorstellung von der heilen Welt des Sports passt nicht mehr in die heutige Zeit. Mens sana in corpore sano – gesunder Geist in einem gesunden Körper. Von wegen. Ausgestorben mit den alten Lateinern.
Ich werde nur noch bei den olympischen Eröffnungsfeiern ins Rampenlicht befördert. Da beschwören die Olympier meine Vorzüge wie bei einem noch einmal auf Hochglanz polierten Oldtimer in einem Ausstellungsraum. Nett anzuschauen, aber nicht mehr zu gebrauchen in der rauen Wirklichkeit des internationalen Sportverkehrs.
Heutzutage kommt es auf andere Werte an. Die Infos aus der Apothekerzeitung reichen da längst nicht mehr. Viele legen Wert auf die neuesten Produkte der Pharmaindustrie und einen ausgeklügelten Medikations-Zeitplan. Der doofe Dopingfahnder stört da nur und wird deshalb vor allem im Osten gerne in seinem Bewegungsdrang stark eingeschränkt. Zur Not werden einfach ein paar Proben vertauscht und wenn wirklich ein paar erwischt werden, muss der beste Rechtsanwalt her. Juristen-Marathon ist eine der neuen olympischen Disziplinen. Das Starterfeld in Rio ist groß.
Sogar IOC-Mitglieder bewegen sich aus der VIP-Lounge herab und sind plötzlich mittendrin im wirklichen Leben. Patrick Hickey, irischer Ober-Olympier, soll ins illegale Geschäft mit Eintrittskarten eingestiegen sein. Wahrscheinlich hat er ein Praktikum beim Fußball-Weltverband gemacht. Thema: Praxis des profitoptimierten Sportmanagements am Beispiel der Fifa. Mich als Olympiageist brauchen die Funktionäre nicht. Auch die brasilianischen Zuschauer halten mich für überflüssig, oder vielleicht sogar störend. Für sie sind die internationalen Mitspieler nur ein lästiges Anhängsel, dass es stimmlich zu bekämpfen gilt.
Dagegen wurde es mir richtig warm ums Herz, als ich Nikki Hamblin und Abbey D’Agostino sah. Gestrauchelt im 5000-m-Lauf halfen sich die beiden Damen gegenseitig auf die Beine – ohne Rücksicht auf die eigenen Chancen. Es gibt sie noch, diese Augenblicke, in denen der Geist über das Gewinnstreben triumphiert. Das ist ein gutes Gefühl.