Mittelschwaebische Nachrichten
Gesucht: der perfekte Athlet
Der Moderne Fünfkampf wurde ins Leben gerufen, um den idealen Sportler zu küren. Doch heute gibt es zahlreiche Mehrkampfdisziplinen. Ist der Anspruch noch gerechtfertigt?
Augsburg/Rio de Janeiro In 306 Entscheidungen jagen die Athleten in Rio nach Gold. Im Medaillenspiegel zählt jeder Sieg gleich viel – doch gibt es Goldmedaillen, die einen besonderen, fast königlichen Glanz haben: den Glanz des Königs der Athleten, dem Besonderen unter den Besten. Die Zehnkämpfer nennen sich „Könige der Leichtathleten“. Die Modernen Fünfkämpfer suchen den „perfekten Athleten“. Und die Triathleten nennen ihren Wettkampf auf Hawaii nicht umsonst „Ironman“. Doch welche Disziplin ist tatsächlich die kompletteste?
Stefan Künzell ist Professor für Bewegungs- und Trainingswissenschaft an der Universität Augsburg. Er erklärt die Kriterien, nach denen die Vielseitigkeit von Sportarten bewertet werden kann: „Wir können zwischen fünf Grundfähigkeiten im Sport differenzieren“, sagt er: „Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination.“Hinzu kämen taktische und techni- sche Elemente. Komplett bedeute für ihn, diese Bereiche möglichst breit abzudecken.
Triathlon Der Trumpf des Triathleten ist seine Ausdauer. Bei Olympia muss er 1,5 Kilometer schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer laufen. Das mag nach viel klingen – doch beim Ironman sind es 3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer (Marathon) Laufen. Eine Pause gibt es nicht. „Der Triathlet braucht ein Höchstmaß an Ausdauer“, erklärt Stephan Künzell. Und er müsse auch am härtesten trainieren. „Mit dem Ausdauertraining eines Triathleten kann allenfalls noch ein Profiradfahrer mithalten.“Die Männer waren in Rio bereits am Donnerstag unterwegs. Die Frauen sind am Samstag, ebenfalls ab 16 Uhr, auf der Strecke.
Zehnkampf Doch Ausdauer ist nur eines von vielen Kriterien. Schon deutlich mehr deckt da der Zehnkämpfer ab. Die Disziplin hat ihre Ursprünge bereits im antiken Olympia. Im Fünfkampf (Pentath- lon) mussten Athleten Springen, Laufen, Diskus- und Speerwerfen sowie Ringen. Mit Ausnahme des Ringens ist das auch heute noch die Basis des Zehnkampfs. Es werden alle fünf Grundkriterien abgefragt, wie Künzell erklärt. Das Finale bei den Spielen in Rio fand in der vergangenen Nacht statt. Bei den Frauen ist der Siebenkampf vergleichbar.
Moderner Fünfkampf Noch eine Spur komplexer ist der Moderne Fünfkampf. Denn während die Teildisziplinen des Zehnkampfs nur wenige Anforderungen gleichzeitig an den Sportler stellten, sei das bei dem Kombinationssport aus Schwimmen, Fechten, Reiten, Schießen und Laufen anders, erklärt Künzell. „Hier gibt es schon innerhalb der Disziplinen verschiedene Anforderungen“, sagt der Sportwissenschaftler. „Das Fechten mit seinen Finten und seinen Reflexen fordert noch einmal mehr“, erklärt Künzell. Und die Herausforderung, sich in ein zugelostes Pferd hineinzuversetzen, sei da noch gar nicht erwähnt. Hinzu kommen zahlreiche Veränderungen in den vergangenen Jahren, die die 104 Jahre alte Disziplin moderner machen sollen. Laufen und Schießen werden – ähnlich wie Biathlon – als Kombination durchgeführt. „Auch das macht den Sport härter“, sagt Künzell. Damit sei er fast unschlagbar in der Abwechslung. Davon kann man sich am Freitag (Frauen) und Samstag (Männer) jeweils ab 23 Uhr überzeugen, wenn die finalen Rennen anstehen.
Der Joker Fast unschlagbar? „Wir haben bei den Ballsportarten eine relativ starke Mischung aus Technik, Taktik und Kondition“, sagt der Sportwissenschaftler. Unter Kondition fallen hier auch Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Ist also am Ende der Fußballer der König der Athleten? So weit will Stefan Künzell dann doch nicht gehen. Schließlich sei dies ja keine Individualsportart und schwer zu vergleichen. Der Moderne Fünfkampf habe also noch immer gute Gründe, seinen Sieger zum „perfekten Athleten“zu küren.