Mittelschwaebische Nachrichten
Können diese Augen lügen?
Am Anfang stand die Aussage von US-Star Ryan Lochte, er sei mit vorgehaltener Waffe überfallen worden. Inzwischen ist klar: Alles erfunden. Bleibt die Frage: Warum?
Rio de Janeiro Von den olympischen Wettbewerben verabschiedete sich Ryan Lochte eher still, die letzten Stunden des US-Schwimmstars in Rio dagegen sorgen für mächtig Wirbel. Es geht um eine Nacht im Herzen der brasilianischen Metropole, Lochte berichtete von einem Überfall mit Waffeneinsatz. Alles erfunden, sagt Rios Polizei – und der US-Verband muss das Stunden später im Wesentlichen zugeben und sich hochnotpeinlich bei den Gastgebern entschuldigen.
Das Verhalten der Schwimmer sei „weder akzeptabel, noch repräsentiere es die Werte des Teams USA“, hieß es in einer Mitteilung des Verbands. Man denke nun über Strafen für die Beteiligten nach, sagte Generaldirektor Chuck Wielgus. Videokameras der Tankstelle legten nahe, dass ein Schwimmer in einer Toilette randaliert habe. Nach einer Auseinandersetzung mit zwei bewaffneten Sicherheitskräften hätten die Schwimmer Geld für den Schaden hinterlassen und daraufhin gehen dürfen. Auf dem Video, das im Internet kursiert, wirken die vier Schwimmer wenig trittsicher.
Gestern meldete sich Lochte dann auch selbst zu Wort. Er bedauere, den Vorfall nicht aufrichtiger geschildert zu haben, schrieb Lochte auf Twitter. „Es ist traumatisch, spät mit seinen Freunden in einem fremden Land – mit einer Sprachbarriere – unterwegs zu sein, und sich einem Fremden mit einer Waffe gegenüber zu sehen, der Geld will, um dich gehen zu lassen“, schrieb Lochte. Die Situation sei zu vermeiden gewesen. „Ich übernehme die Verantwortung für meine Rolle und habe meine Lektion gelernt.“
Sicher ist: So hatte sich Lochte sein vermutliches Ende auf der ganz großen Bühne bestimmt nicht vorgestellt. Sechsmal gewann er bei vier verschiedenen Olympischen Spielen Gold. Insgesamt weist seine Vita zwölf olympische Medaillen auf. Mit 39 WM-Titeln auf Kurz- und Langbahn liegt er sogar vor Michael Phelps, 27, der aber KurzbahnWettkämpfe fast immer ausließ. In jeder Nation wäre Lochte damit der größte Star; vielleicht wäre er es zu einer anderen Zeit sogar in den USA gewesen. Aber seine Generation hatte eben diesen Michael Phelps. „Wir schwimmen seit 2004 gegeneinander, haben eine gute Rivalität und eine gute Freundschaft entwickelt“, sagte Lochte während der Wettkämpfe in Rio, bei denen er einmal Gold gewann.
Auffällig war Lochte dort mit seiner demonstrativen Gelassenheit und grau gefärbten Haaren – diesmal als Accessoire anstelle von Brillanten-Deko im Mund. In Rio musste sich Lochte, wie eigentlich immer, beim einzigen Einzelstart über 200 Meter Lagen als Fünfter dem Olympiasieger Phelps geschlagen geben. Nur einmal konnte Lochte den Rekordchampion bei einem großen Wettkampf überhaupt bezwingen: 2011 bei den Weltmeisterschaften in Shanghai verwies er Phelps über 200 Meter Lagen in Weltrekordzeit auf Rang zwei.
Doch nun bestimmt nicht der Sport, sondern die Party-Nacht von Lochte mit den Staffel-Olympiasiegern Jack Conger, Gunnar Bentz und Jimmy Feigen die Schlagzeilen. Conger und Bentz wurden sogar vor der geplanten Abreise noch aus dem Flieger geholt, um vor den Behörden in Rio auszusagen. Erst danach durften sie Brasilien verlassen. Lochte war da schon in der Heimat. Die brasilianische Polizei will nun das FBI um Mithilfe bitten, um weitere Informationen von Lochte zu bekommen. Zwar äußerte RioSprecher Mario Andrada Verständnis für die „Burschen“und deren Party-Nacht. Aber den Ärger um Sicherheit im Zeitraum der Spiele hätten sich die Organisatoren gerne erspart. Völlig offen ist zudem, ob Lochte seine Karriere fortsetzt: „Ich kann nicht sagen, dass es vorbei ist. Aber es sind eine Menge Sachen, die ich ändern muss, wenn ich in den Sport zurückkommen will.“(dpa)