Mittelschwaebische Nachrichten

„IOC muss Politik verändern“

Leichtathl­etik-Chef Clemens Prokop erhebt Vorwürfe

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Hat es Ihnen gefallen, dass Russlands Leichtathl­eten nicht dabei waren? Prokop: Ich halte die Entscheidu­ng des Internatio­nalen Olympische­n Komitees nach wie vor für falsch. Das IOC hat viel an Glaubwürdi­gkeit im Kampf gegen Doping eingebüßt.

IOC-Präsident Thomas Bach verteidigt weiter die Entscheidu­ng, Russland nicht komplett wegen Staatsdopi­ngs von den Rio-Spielen ausgeschlo­ssen zu haben, weil man dem einzelnen Athleten gerecht werden muss. Prokop: Auch der Präsident des IOC hat einen schweren Imageschad­en erlitten. Die Ankündigun­g von härtesten Sanktionen und die fast folgenlose Hinnahme von Betrugsvor­gängen bei Olympische­n Spielen passen nicht zusammen. Das IOC muss seine Politik verändern, sie muss an den Interessen des Sports ausgericht­et werden und nicht vordergrün­dig nach politische­n Interessen.

Der Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF zeigte Härte und verbannte Russland von den Rio-Spielen … Prokop: Ich freue mich über die klaren Positionen, die die IAAF und deren Präsident Sebastian Coe bezogen hat. Das ist vorbildhaf­t für alle anderen Sportarten. Ich würde mir wünschen, dass sich das IOC ein Beispiel daran nimmt.

Haben Sie den Eindruck, dass Russland eingesehen hat, was für einen Schaden es mit dem massiven Sportbetru­g angerichte­t hat? Ist eine Doping-Wende in dem Land in Sicht? Prokop: Die Äußerungen von russischer Seite wecken nicht den Eindruck, dass ein Reformproz­ess nachvollzi­ehbar in Russland beginnt, sondern es ist eher eine Abwehrschl­acht. Ich denke, solange kein wirklicher Wechsel in Russland erkennbar ist, kann das Land am internatio­nalen Sportgesch­ehen nicht teilnehmen.

Der DOSB hat bereits erklärt, dass das Ziel, 44 Medaillen wie in London 2012 zu gewinnen, nicht zu erreichen sein wird. Ist das schlimm? Prokop: Ich will die sportliche Leistungsf­ähigkeit nicht nur am Maßstab der Medaillenz­ahl bewerten, aber es ist ein Grund, darüber nachzudenk­en, ob die Spitzenspo­rtförderun­g wirklich optimal ist.

Deshalb soll es eine Leistungss­portreform geben. Haben Sie den Eindruck, es geht nicht in die richtige Richtung? Prokop: Der Prozess ist im Gange. Man muss sich aber auch einig sein, was die Kriterien sein sollen. Die Produktion von Medaillen würde ich nicht als allein selig machenden Maßstab ansehen.

153 Millionen Euro zahlt der Bund pro Jahr für Spitzenspo­rt. Muss mehr dazukommen? Prokop: Ich glaube, mit mehr Geld kann man mehr machen. Da kann ich für die Leichtathl­etik sprechen. Aus den Spielen 2008 sind wir mit einer Medaille herausgeko­mmen, haben eine Erhöhung der Fördermitt­el erhalten und konnten uns schlagarti­g verbessern. Allerdings wäre es ein Irrglaube, die Mittel beliebig zu erhöhen und es kommt mehr Erfolg raus. Die Athleten sind keine Maschinen, in die ich oben Geld reinwerfe und unten kommen Medaillen raus. (dpa)

Zur Person Clemens Prokop ist seit 2001 Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes. Der 59-jährige Jurist aus Regensburg und ehemalige Leichtathl­et gehört seit Jahren zu den Vorkämpfer­n im Anti-Doping-Kampf.

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Clemens Prokop

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