Mittelschwaebische Nachrichten
Mosaiksteine des Alltags im Heimatmuseum
Vom Rosenkranz bis hin zum Notgeld. Wie die Ausstellung „Streiflichter“zum Spiegelbild der Wechselfälle des Lebens wird
Krumbach Die Zeitreise führt zurück bis ins Jahr 1643, auf dem Weg in die Vergangenheit liegen 65 „Streiflichter“. 1643? Aus diesem Jahr stammt das älteste Ausstellungsstück des Mittelschwäbischen Heimatmuseums, ein Kupferstich mit dem Namen „Günzburg“. 1643 – das war in der Endphase des schrecklichen Dreißigjährigen Krieges. Nicht weit davon entfernt blickt der Betrachter auf ein Kunstwerk des Jahres 2010 mit dem Titel „Flüchtlingsbote“. Die „Streiflichter“in der aktuellen Ausstellung des Museums: In einem labyrinthisch wirkenden Raum wirken sie wie Mosaiksteinchen des menschlichen Alltags, aber auch der Höhen und Tiefen des Lebens gleichermaßen.
Zwei Monate Planung und eine zweiwöchige Aufbauzeit stehen am Anfang der Ausstellung. Aus den 3000 Ausstellungsgegenständen, die in Räumlichkeiten des Museums lagern, nur 65 für die aktuelle Ausstellung auszuwählen – das war für die Museumsleiterin Anita Roth eine der größten Herausforderungen. „Ich musste schon lang vorher wissen, was ich ausstellen wollte“, erklärt sie. Platzgründe, aber auch die Ästhetik und die umfangreichen Geschichten der einzelnen Dinge spielten bei der bewusst begrenzten Auswahl eine Rolle. Depotleiterin Katrin Maier und sie wollten erreichen, dass Besucher möglichst viel Wissen mitnehmen können, ohne jedoch überfordert zu werden. Begrüßt wird der Eintretende durch eine selbst gestaltete Collage von Anita Roth, auf der daumennagelgroß Bilder von vier Prozent der bereits inventarisierten Stücke des Museums zu sehen sind. „Manche bemerken diese Arbeit kaum, andere verbringen vor ihr fast genau so viel Zeit wie in der restlichen Ausstellung“, erzählt Anita Roth.
Man merkt ihr die Begeisterung an, vor allem, als sie auf eines ihrer Lieblingsstücke zu sprechen kommt. Es handelt sich um einen handgemachten Kaufladen. Vermutlich hatte ein Ehepaar ein ähnliches Kinderspielzeug kurz nach Kriegsende in einem Münchner Kaufhaus gesehen und, weil sie sich das Original nicht leisten konnten, von einem Schreiner in Krumbach nachbauen lassen. So ging der Kaufmannsladen durch die Hände von insgesamt drei Generationen und wurde von jeder liebevoll umgestaltet, etwa mit neuer Tapete oder Miniaturessensschachteln. Diese sind manchmal mit bekannten Markennamen (zum Beispiel Iglu oder Kaba) versehen, die Aufschluss darüber geben, in welcher Generation die Schachtel hinzugefügt wurde. Für die Ausstellung wurde auch eine passende Glashaube angefertigt, um das alte Spielzeug vor Staub zu schützen.
Die Blicke vieler Besucher bleiben auch an einer alten, unscheinbaren Kiste hängen. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man jedoch, dass die Aufschrift auf der Truhe eine verborgene Geschichte erzählt. In Krumbach zurückgelassen wurde sie von einem französischen Zwangsarbeiter, der 1940 nach Deutschland kam und nach Kriegsende verschwand.
Stolz ist Anita Roth auch auf eine 76 Jahre alte Informationstafel des damaligen Reserve-Lazaretts Krumbad. Die damals wachsende Angst der Bevölkerung vor Giftgasangriffen führte dazu, dass vermehrt Luftschutzeinsatzkräfte in der Gegend stationiert wurden. Unter den Zuständigen befand sich beispielsweise auch ein sogenannter Hydrantentrupp, der nach einem Luftangriff für die Feuerbekämpfung zuständig war. „Das war das erste Mal, dass ich so etwas gesehen habe, das hat mich schon sehr beeindruckt“, schwärmt Anita Roth.
Sehr sorgfältig aufbewahrt wird ebenfalls die immense Sammlung von Rosenkränzen, die sich im Depot des Heimatmuseums und nun auch, gut konserviert, in der Ausstellung befindet. Bei einigen anderen, besonders alten Stücken, war an eine Ausstellung jedoch gar nicht zu denken, da sie den sommerlichen Temperaturen nicht gut standgehalten hätten.
Ein Kupferstich mit dem Namen „Günzburg“aus dem Jahr 1643, und somit das älteste Ausstellungsstück, hat es trotzdem geschafft. „Dass ein Heimatmuseum im Besitz eines solchen Stücks ist, ist etwas sehr Besonderes“, stellt Anita Roth fest.
Mit einem aktuellen Thema befasst sich ein modernes Kunstwerk von 2010, das den Titel „Flüchtlingsboote“trägt. Das leere Glas und das volle Glas mit den gefalteten Papierbooten daneben lässt viel Raum für unterschiedliche Meinungen und Interpretationsmöglichkeiten. Anita Roth betont, dass es ihr wichtig war, auch aktuelle Stücke auszustellen und ganz verschiedene Altersgruppen anzusprechen.
Das warme Licht, die Stille und die angenehme Temperatur laden zum Verweilen ein – um dann durch die Jahrhunderte zu spazieren.