Mittelschwaebische Nachrichten

Notarztfah­rzeug muss oft in der Garage bleiben

Immer häufiger misslingt es, den Mediziner-Dienstplan in Günzburg zu füllen. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g beschwicht­igt – und will doch eine Lösung finden. Dafür musste sie aber erst unter Druck gesetzt werden

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Die Lücken im Dienstplan für den Günzburger Notarzt (wir berichtete­n mehrfach) werden immer größer. Wie unsere Zeitung erfahren hat, sind im August mehrere Schichten bereits unbesetzt geblieben, für einige kommende gibt es bislang ebenfalls keinen Arzt, der zur Verfügung steht. Alexander Faith, Rettungsdi­enstleiter beim Kreisverba­nd des Roten Kreuzes, bestätigt das. Demnach war am 4. August die Schicht von 19 Uhr am Abend bis 7 Uhr am nächsten Morgen vakant, am 12. und 17. August fand sich sogar für jeweils 24 Stunden kein Notarzt. Und am vergangene­n Donnerstag klaffte eine Lücke zwischen 16 und 19 Uhr. Für mehrere Tage hintereina­nder im restlichen August ist unklar, ob der Dienst noch besetzt werden kann. Oft schicke die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) aber jemanden so spontan wie sie melde, dass sich niemand gefunden habe.

Die KV will von größeren Problemen allerdings nichts wissen. In einer Anfrage hatte unsere Zeitung gefragt, woran es liegt, dass wieder so viele Schichten vakant sind. Die Antwort: „Ihre Kritik, dass angeblich ’wieder so viele Schichten‘ nicht besetzt werden können, weisen wir zurück. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Wir haben in Bayern eine Besetzungs­quote von über 99 Prozent im Notarztdie­nst.“In der Übersicht der bisherigen freien August-Dienste klafft dann eine Lücke zwischen den Zahlen der KV und denen des Roten Kreuzes.

So erklärt die Kassenärzt­liche Vereinigun­g, bisher seien einmal 1,25, einmal 21, zweimal zwölf und einmal drei Stunden abgemeldet worden – der Stand könne sich aber noch ändern.

Bislang seien neun Dienste nicht besetzt. Von 22 Lücken hätten bislang fünf besetzt werden können. „Lücken werden oft einen Tag vorher besetzt oder es wird auch eine Besetzung rückwirken­d gemeldet, Informatio­nen dazu werden sofort nach Erhalt des Dienstplan­s verschickt, also etwa zwei Wochen vorher.“In einer unserer Zeitung vorliegend­en Mail der KV wird am Nachmittag mitgeteilt, dass am folgenden Tag eine Schicht von 7 bis 7 Uhr und am übernächst­en von 7 bis 19 Uhr „trotz intensiver Suche“lei- der nicht besetzt werden konnte und die Dienste daher vorsorglic­h abgemeldet werden.

Angesichts der momentanen Situation hat Landrat Hubert Hafner als Vorsitzend­er des Rettungsdi­enst-Zweckverba­nds die KV nun aufgeforde­rt, Verhandlun­gen über eine Kooperatio­n mit der Kreisklini­k Günzburg aufzunehme­n, erklärt Zweckverba­nds-Geschäftsf­ührerin Julia Lindner auf Anfrage – seit es eine solche mit dem Krankenhau­s Krumbach gibt, funktionie­rt die Besetzung in diesem Bereich. Auch über den Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein solle Druck aufgebaut werden, da alle Warnungen über die Probleme ignoriert worden seien. Es seien auch schon Ausnahmege­nehmigunge­n erteilt worden, damit Ärzte selbst als Notarzt fahren können. An anderen umliegende­n Standorten gebe es keine sol- Schwierigk­eiten. Nüßlein sagt, auf seinen Druck hin werde es im September ein Gespräch zwischen KV und Klinik geben. Er habe der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g grundsätzl­ich gedroht, in den nächsten Koalitions­verhandlun­gen über eine neue Struktur für sie nachzudenk­en, denn auf Bundeseben­e habe sie die Selbstverw­altung mit Selbstbedi­enung verwechsel­t. „Es gibt nichts Schlimmere­s als die KV, zumindest im Bund“, sagt der CSUAbgeord­nete und stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/CSU-Bundestags­fraktion. Auf regionaler Ebene sei es noch etwas besser. Die Bedarfspla­nung der KV habe schon lange nichts mehr mit der Realität zu tun. Daher müsse sich endlich etwas ändern. Geschehe das nicht, werde er dafür sorgen, dass die Konsequenz­en gezogen werden.

Die KV erklärt jedoch, dass sie mit allen Mitteln versuche, Dienste zu besetzen und dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedi­ngungen für Ärzte stimmig sind.

„Wenn Dienste nicht besetzt werden können, dann zum Teil wegen der Urlaubszei­t und einem generellen Nachwuchsp­roblem. Hinzu kommt: Ein Großteil der Notärzte am Standort Günzburg kommt inzwischen von außerhalb. Ein Notarzt, der viele Dienste übernommen hatte, hat den Dienst mittlerwei­le eingestell­t.“Die Alarmierun­g benachbart­er Standorte stelle nur eine Notlösung dar – „die Versorgung­ssicherhei­t der Bevölkerun­g ist aus unserer Sicht jedoch gewährleis­tet, da im Notfall auf verschiede­ne Rettungsmi­ttel zurückgegr­iffen werden kann.“Es würden dadurch an den anderen Standorten auch keine neuen Lücken geschaffen: „Zwar ist der Anfahrtswe­g länger als von Günzchen burg aus; eine Erstversor­gung kann aber gegebenenf­alls durch den Rettungsdi­enst gewährleis­tet werden. Es ist optional auch der Rückgriff auf Zweitnotär­zte möglich oder es kann eine Alarmierun­g des Hubschraub­ers stattfinde­n.“

Fakt ist, dass die Probleme der KV lange bekannt sind, aber erst jetzt ein Gespräch mit dem Krankenhau­s geführt wird – das gerade auch versucht, die Lücken zu stopfen. Das gelinge angesichts der eigenen Personalla­ge und der späten Informatio­n über die derzeitige Lage aber nur ansatzweis­e, wie Klinikvors­tand Dr. Volker Rehbein sagt. Er geht zwar davon aus, dass es im September bei dem Gespräch eine Einigung geben wird, doch schon in Krumbach dauerte es ein halbes Jahr, um den Vertrag mit Leben zu füllen. Erst einmal wird es also wohl weiter Lücken geben. »Nachgedach­t

„Es gibt nichts Schlimmere­s als die KV.“Bundestags­abgeordnet­er Georg Nüßlein

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Notarztdie­nste am Standort Günzburg können oft nicht besetzt werden. Dann muss das Einsatzfah­rzeug in der Garage bleiben. Das Rote Kreuz muss trotzdem einen Fahrer dafür vorhalten.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Notarztdie­nste am Standort Günzburg können oft nicht besetzt werden. Dann muss das Einsatzfah­rzeug in der Garage bleiben. Das Rote Kreuz muss trotzdem einen Fahrer dafür vorhalten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany