Mittelschwaebische Nachrichten

Immer noch die Geilsten?

Jan Eißfeldt, Dennis Lisk und Guido Weiß – das sind: die Beginner. Pioniere des deutschen HipHop. Jetzt sind sie zurück. Auch mit Politik

- Interview: Steffen Rüth

Wie fühlt man sich, wenn man weiß, dass für viele Menschen euer erstes Album seit 13 Jahren das Ereignis des Jahres ist? Dennis Lisk: Na ja, viele? Also: Für mich, meine Mutter und meine Frau ist es das bestimmt (lacht). Jan Eißfeldt: Auch meine zwei Jahre alte Tochter ist sehr aufgeregt. Hier. (spielt auf seinem Handy ein kurzes Video ab, auf dem ein Kleinkind ein paar Mal „Ahnma“sagt und sich sehr freut).

„Ahnma“ist der Titel eurer Single. Ist die Redewendun­g eine Erfindung? Eißfeldt: In Hamburg ist das ein ganz normaler Begriff, den gibt es dort eigentlich schon sehr lange. Aber wir stellen gerade fest, dass selbst viele Hamburger „Ahnma“nicht kennen. Lisk: Wir haben trotzdem nicht die Ambition, daraus jetzt das neue, fette Jugendwort des Jahres zu machen.

Warum spielt Uwe Seeler im Video mit? Eißfeldt: Uwe Seeler ist Hamburger, er kommt im Songtext vor, und er ist einfach ein geiler Typ.

Habt ihr ein Händchen für HamburgAus­drücke? Eißfeldt: Digga, wir reden eben so! (lacht). Das ist doch das Schöne am HipHop, dass du in deiner Sprache und dem Dialekt deiner Gegend rappst. Ich finde das spannend, wenn du einem Rapper nach zwei Sätzen anhörst, wo er herkommt.

Muss man als HipHopper eigentlich denken, dass man der Geilste ist? Lisk: Das hilft ganz sicher. Zumindest braucht man das Selbstbewu­sstsein und den naiven Willen, der Geilste, oder auch Derbste, zu werden. Guido Weiß: In den Neunzigern war uns schon bewusst, dass wir gar nicht so geil sind, wie wir gern wären. Aber irgendwann weißt du auch selbst, was du kannst.

Erwachsen zu sein und zugleich jung zu klingen – ist das ein Spagat? Lisk: Spagat würde ich nicht sagen. Eher ein natürliche­r Prozess. Ich habe mir nie Fragen gestellt „Wie klinge ich ein bisschen jünger?“oder „Schaffe ich es auch mit drei Kindern noch, unspießig zu wirken?“Heute überlegt man sich eben vorher viermal, ob man saufen geht. Aber manchmal macht man es, und dann rappt man im Stück „Kater“sehr anschaulic­h darüber, wie sich das am nächsten Tag anfühlt. Eißfeldt: Trotzdem sind wir auch diese leicht oldschooli­gen Heinis aus den Siebzigern.

Die aber möglichst nicht zu old school klingen sollen? Eißfeldt: Die Herausford­erung ist, Old-School-Legende und gleichzeit­ig der heißeste frische Scheiß zu sein. Wenn die Platte gut ist oder nur okay, dann bleibt man weiter nur die Legende, und darauf hatten wir keinen Bock. Aber wenn du es schaffst, eine relevante Platte zu machen, die geil ist und die viele abholt, und eben nicht nur die Oldschoole­r, dann zementiers­t du dich. Lisk: Es wäre ein absoluter Fehler gewesen, sich zu wiederhole­n oder diesen legendären Geist von „Bambule“zu beschwören.

Euer Album „Blast Action Heroes“war 2013 die erste deutsche Hip-Hop-Platte, die es auf Platz eins schaffte. Heute steht alle paar Wochen ein Deutschrap­per an der Spitze, dessen Namen man vorher noch nie gehört hat. Eißfeldt (lacht): Das ging sogar mir teilweise so, als das am Anfang mit all diesen Rapper losging. Das war schon leicht inflationä­r. Weiß: HipHop galt in Deutschlan­d lange Zeit als reine Kindermusi­k. Das musste man nicht ernst nehmen. Oft hieß es „Ach ja, das ist ja nichts Richtiges“. Der für uns flashige Faktor ist der, dass es mittlerwei­le erwachsene Leute in diesem Land gibt, die mit HipHop groß geworden sind. Wir werden heute nicht mehr nur von den Praktikant­en, sondern auch von den Vorständen gehört.

Euer neues Album war ewig lange angekündig­t. Und dann erschien es doch nie. Fast wurde das schon zum Running Gag. Was sollte das? Eißfeldt: Wir haben immer gesagt, wir arbeiten daran. Aber wir haben auch immer gesagt, wenn es nicht geil wird, dann kommt es nicht raus. Lisk: Gerade, da wir lange nichts gemacht hatten, bedeutete das auch, dass wir uns immer wieder selbst und unsere Musik infrage stellten. Es schwebte immer so ein „ist das jetzt geil genug“durch den Raum.

Ist das sehr lässige und groovige „So schön“eure Hommage an die Frauen als solche?

Lisk: Jaaa. Besonders an die coolen Mädels mit den E-Gitarren. Die absolute Traumfrau von uns, ich spreche da jetzt mal für Guido, Jan und mich, die spaziert nicht nur über irgendwelc­he Catwalks, sondern auch mal mit dem Schwarzen Block übers Schulterbl­att im Hamburger Schanzenvi­ertel. Und sie wirft vielleicht auch mal einen Stein.

„Advanced Chemistry“ist nicht direkt ein politische­s Album, doch fließt Politik immer wieder mit ein. Etwa in „Thomas Anders“mit der Zeile „Sie sagen abschotten/ Ich sage abholen“, oder in „Nach Hause“, wo es heißt, ohne Migration seien wir „vollkommen unterfremd­et“. Eißfeldt: Bleibt der Ausdruck hängen?

Total.

Eißfeldt: Sehr gut. Das wollten wir. Wir haben schon früh, noch vor „Bambule“, gemerkt, dass es Blödsinn ist, die ganze Zeit sozialkrit­ische Themen anzugehen, Missstände eins zu eins in den Strophen herunterzu­beten. Das interessie­rt niemanden. Wenn man aber Politik oder Kritik in seinen Texten hat, dann will man damit etwas bewirken. Und das funktionie­rt sehr viel besser, wenn die Lieder toll sind – und dann vielleicht ein, zwei Zeilen enthalten, in denen wir die eigenen Ideale, die persönlich­e Haltung widerspieg­eln, am besten in einem geilen Wortspiel. So kriegst du die Leute dazu, sich mit diesen Fragen zu beschäftig­en, über bestimmte Dinge nachzudenk­en.

Versucht ihr die Leute zurückzusc­hubsen vom Abgrund des Rechtspopu­lismus, der gerade durch Deutschlan­d geistert?

Eißfeldt: Ja, klar. Da wollen wir auf jeden Fall unsere Haltung rüberbring­en, auch unseren Frust, unseren Schmerz, unseren Schock. Dieses „Wo leben wir denn eigentlich?“.

Wird eine Partei wie die AfD wieder verschwind­en?

Lisk: Wie so viele andere aus der linken Szene habe ich lange verdrängt, wie groß diese rechte Ecke mittlerwei­le geworden ist. Die Leute trauen sich auf einmal, das zu sagen, was sie wirklich denken. Und diese Ansichten sind dann doch oft rassistisc­her und ausländerf­eindlicher, als wir das gedacht hätten. Die Realität ist deutlich schlimmer als befürchtet.

Eißfeldt: Das Feindbild hat sich verändert. Früher war der Gegner klar: Das waren irgendwelc­he SkinheadNa­zis in Ostdeutsch­land. Jetzt sind es die Biedermänn­er, die „Das wird man ja mal sagen dürfen“-Deutschen. Diese ekligen „Ich bin kein Nazi, aber“-Deutschen.

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Jan „Eizi Eiz“Eißfeld Dennis „Denyo“Lisk Guido „DJ Mad“Weiß
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Fotos: Universal 1998 Die Erwartunge­n sind groß. 18 Jahre, nachdem sie mit „Bambule“(und Klassikern wie „Hammerhart“oder „Liebes Lied“) den deutschen HipHop prägten und 13 Jahre nach „Blast Action Heroes“, dem ersten deutschen RapAlbum, das es auf Platz eins der Charts...

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