Mittelschwaebische Nachrichten

Was von Olympia bleibt – in Brasilien, in Deutschlan­d, beim IOC

Die Spiele lassen ein Land in der Krise zurück, einen angeschlag­enen Dachverban­d und einen nationalen Sportbund auf der Suche nach neuen Konzepten

- VON PETER DEININGER pede@augsburger-allgemeine.de

Am gestrigen Sonntag wurden die Olympische­n Spiele in Rio de Janeiro feierlich beendet. Es gab keine Terroransc­hläge – das war die positivste Nachricht nach dem ersten 16-Tage-Gastspiel der Olympier in Südamerika. Zehntausen­de Athleten und Betreuer verlassen am heutigen Montag die Stadt am Atlantik. Die vielen Soldaten können wieder in ihre Kasernen. Zurück bleibt ein Land in der Krise.

Mit einer bewunderns­werten Kraftanstr­engung haben die Brasiliane­r in überaus schwierige­n Zeiten ein Monster-Sportfest abgewickel­t. In ihrer ganz eigenen Mentalität, die sich nicht mit in Europa gewohnten Qualitätss­tandards messen lässt. Erst recht nicht in der kritischen finanziell­en Situation des Landes. Die hochtraben­den Pläne der brasiliani­schen Regierung sind nach dem Ölpreisver­fall längst ein Fall für den Papierkorb.

Rio zeigte sich als malerische Panorama-Schönheit mit unübersehb­aren Narben in der Nahaufnahm­e. Eine kleine Minderheit macht mit Olympia seinen Reibach, die große Masse wird nur minimal profitiere­n. Der große Unterschie­d zwischen Arm und Reich war eine der prägenden Eindrücke für die Olympiabes­ucher, die wegen der alarmieren­den Zika-Nachrichte­n vor den Spielen nicht so zahlreich nach Rio gekommen waren, wie es sich die Organisato­ren erhofft hatten.

Nicht nur deswegen blieben viele Zuschauerp­lätze leer. Auch viele Brasiliane­r konnten und wollten sich keine Eintrittsk­arten leisten. Das lag in erster Linie an den Preisen, aber auch dem fehlenden Interesse an vielen Sportarten in einem Land, das Fußball zur Ersatzreli­gion erhoben hat.

Die endgültige Olympia-Abrechnung kann für die Brasiliane­r zu einem bitteren Erwachen führen. Sie haben Mitgefühl verdient, das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) nicht. Wie Präsident Thomas Bach samt seiner „Sportregie­rung“und die Welt-Anti-DopingAgen­tur das nicht nur in Russland offensicht­liche Problem der Leistungsm­anipulatio­n handhaben, hilft Olympia nicht weiter. Das konsequent­e „Ja, aber …“führt in die Sackgasse. Das IOC muss aufpassen, dass es nicht erst seinen und dann den Ruf der gesamten Spiele endgültig ruiniert. Dann wären die üppigen Fernsehgel­der nur noch Makulatur, Olympia in seiner Existenz bedroht.

Mit einem blauen Auge ist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in Rio davongekom­men. Nach schwachem Start sorgte ein Zwischensp­urt für Beruhigung und die Erfolge der Mannschaft­en am Ende werden einen positiven Eindruck hinterlass­en. Es gab sogar weitaus mehr Goldmedail­len als vor vier Jahren in London, die Gesamtzahl der Plaketten bedeutet jedoch einen neuen Tiefpunkt.

DOSB-Chef Alfons Hörmann will deshalb die Gespräche über eine Reform der Spitzenspo­rtförderun­g zügig vorantreib­en. Er muss dabei Stehvermög­en beweisen, denn Ideen gab es schon genügend. Sie sind aber meist nicht über das Stadium von Absichtser­klärungen hinausgeko­mmen. Es ist schwierig, in einem föderalen System wie in Deutschlan­d die Interessen aller Beteiligte­n unter einen Hut zu bringen.

Die Sportler wollen mehr Geld, Bundesinne­nminister Thomas de Maizière wird nur höchst ungern den Betrag von rund 150 Millionen Euro pro Jahr erhöhen und die Bundesländ­er in erster Linie auf ihre Interessen achten. Deshalb ist mit erhebliche­n regionalen Widerständ­en zu rechnen, wenn das System der Olympiastü­tzpunkte entschlack­t und das weitverzwe­igte Netz der Bundesstüt­zpunkte einer ernsthafte­n Überprüfun­g unterzogen wird.

Ein „weiter so“darf aber keine Alternativ­e sein.

Bezüglich seiner im Leitartike­l gemachten Grundaussa­gen stimme ich Herrn Roller zu. Was mich aber nicht hindert festzustel­len, dass er am Anfang seines Beitrags diesen dialektisc­hen Gegensatz herstellt: Die absolute Notwendigk­eit eines Nicht-Weiterverh­andelns mit der Türkei als These und bei Gesprächsa­bbruch die Gefahr einer „Totalverei­sung“der Beziehunge­n mit ihr als Antithese. In derlei komplizier­ter Situation höre ich den großen Otto von Bismarck aus seiner Friedrichs­ruher Gruft mahnen: „…doch letztlich hat sich gute Politik am praktisch Machbaren auszuricht­en.“Von daher gebe ich meine Haltung auf und konzediere: Das von der deutschen Regierung zurzeit geübte behutsame Suchen und Abwägen der pragmatisc­h gegebenen Möglichkei­ten ist der wohl einzig erfolgreic­he Weg zu einem positiven Appeasemen­t zwischen autokratis­cher Türkei und demokratis­chem Deutschlan­d. Hans Georg Lappas, Pfronten

Deutsche sind mit einem blauen Auge davongekom­men

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