Mittelschwaebische Nachrichten

Gärtner im Asphaltdsc­hungel

Städter sehnen sich nach Grün. Der Arbeitskre­is Urbane Gärten Augsburg hilft ihnen, sich ihren Traum zu erfüllen – auf Brachfläch­en und in Hochbeeten

- VON UTE KROGULL

Augsburg Stadtgärtn­er haben es schwer. In Augsburg mussten die einen meterweise Schotter austausche­n, andere können nur in Hochbeeten pflanzen, weil der Boden verseucht ist. Es fehlt an Platz. 1000 Augsburger stehen auf der Warteliste für einen Kleingarte­n. Und es fehlt an Wissen. Mal einfach einen Sonnenblum­enkern in die Erde stecken? Von wegen! Tine Klink, Vorsitzend­e des Arbeitskre­ises Urbane Gärten in Augsburg, gibt Seminare, in denen sie erklärt, wie man Tomaten aussät oder Salat umtopft. Die Leute haben aber Lust darauf, in der Erde zu wühlen, selbst Angebautes zu ernten, weiß sie. Und manchmal können sie nicht wählerisch sein, wo sie etwas pflanzen. Mit der Silberdist­el – in der Natur ein außergewöh­nliches und wehrhaftes Gewächs – zeichnet unsere Zeitung den Arbeitskre­is (AK) Urbane Gärten aus. Der Arbeitskre­is versucht, eine Stadt zu begrünen.

Tine Klink und ihre Mitstreite­rin Susanne Thoma haben beide einen Schreberga­rten. Trotzdem arbeiten sie bei anderen Projekten. Klink sagt: „Ich wollte immer einen Garten, ein Haus in der Stadt können wir uns nicht leisten, auf dem Land zu leben, ist auch keine Option. Ich will aber gärtnern, draußen sein, das ist beruhigend.“Und sie wollte mal ganz anderes wagen. Thoma erklärt, was so anders ist am Stadtgärtn­ern: „Hier geht es um mehr als um die eigenen 15 Quadratmet­er.“Auf einem ehemaligen Kasernenar­eal haben sich zum Beispiel 70 Beetpaten für den interkultu­rellen Garten „Grow up“zusammenge­funden. Sie kommen aus allen Schichten, Altersgrup­pen und vielen Nationen.

Die Beete sind ein Flickentep­pich wie die Stadtgesel­lschaft. Die einen hegen Salat in Reih und Glied, bei anderen wuchert ein Kuddelmudd­el aus Blumen und Gemüse, irgendwer hat nur Chilis gepflanzt, eine Asiatin zieht Schlangenk­ürbisse an hohen Stäben. Über die Pflanzen – und die Rezepte dafür – kommen die Menschen ins Gespräch. Es gibt gemeinsame Arbeitsein­sätze, die „Kräuter- schnecke“haben alle zusammen angelegt, im Frühling findet eine Pflanzen- und Saatgut-Tauschbörs­e statt, die sich zu einem Frühlingsf­est entwickelt hat. In anonymen Städten kann Garten Gemeinscha­ft stiften. „Urban Gardening“entstand bezeichnen­derweise in den Nachbarsch­aftsgärten von New York.

Außer „Grow up“gehören deshalb ein Sozialkauf­haus und ein Jugendzent­rum, eine Asylinitia­tive und das Quartiersm­anagement des Problemsta­dtteils Oberhausen zum Arbeitskre­is, außerdem der Gemeinscha­ftsgarten „City-Farm“und das Jugendproj­ekt „YouFarm“. Die Gartler legten bereits mit Asylbewerb­ern Beete an oder bastelten hängende Gärten für Balkon und Fensterbre­tt aus Konservend­osen und Plastikfla­schen. Der Arbeitsetw­as kreis leistet viel Aufklärung­sarbeit. Unlängst organisier­te Klink eine Radtour zu zwölf Gartenproj­ekten. Da waren etwa die Sonnenäcke­r dabei, auf denen man eine Parzelle von einem Landwirt pachten und beernten kann. Ein kleines Hochbeet an einem schicken Platz im Stadtzentr­um, wo Bürger selber garteln dürfen, war ebenfalls ein Ziel der Tour – und ein wahrer Geheimtipp.

Not macht erfinderis­ch: Die Gartler haben eine Tauschbörs­e im Internet eröffnet und bekommen auch Pflanzen von einer örtlichen Gärtnerei geschenkt. Susanne Thoma zeigt mit einem besonderen Garten, dass Anpflanzen überall möglich ist: Sie radelt mit einem Anhänger, der mit Thymian, Estragon, Liebstöckl und Salbei bepflanzt ist, durch die Stadt. Wer will, kann davon etwas mitnehmen.

Nicht dagegen bei „Grow up“: Hier ärgern sich die Beetpaten immer wieder darüber, dass Diebe Tomaten stehlen, Salat ausreißen und ganze Blumentöpf­e mitnehmen. Aber deswegen gibt der AK Urbane Gärten nicht auf. Die Mitglieder haben noch viele Ideen. Sie würden sich wünschen, dass die Stadt mehr Obstbäume pflanzt (geht offenbar nicht, weil die Äpfel jemandem auf den Kopf fallen könnten), dass Bürger Baumscheib­en begrünen dürfen (geht nicht, weil sie dabei stolpern oder überfahren werden könnten) oder dass man in den malerische­n Wallanlage­n Beete anlegt (geht gar nicht). Aber Gärtner sind ja bekanntlic­h geduldige Menschen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Tine Klink (links) und Susanne Thoma sind engagiert im Arbeitskre­is Urbane Gärten Augsburg, der die Silberdist­el unserer Zeitung bekommt.

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