Mittelschwaebische Nachrichten
Er liebt die Kunst – und den Kitsch
Der Münchner Sammler Helmut Klewan besitzt Werke großer bekannter Künstler – wie Picasso, Giacometti und Francis Bacon. Und zu allen weiß er eine Geschichte zu erzählen
München Man ist auf vieles gefasst, wenn man Helmut Klewan, den Kunsthändler und Sammler, zu Hause in seiner Münchner Wohnung unweit des Prinzregententheaters besucht. Trotzdem verschlägt es einem erst einmal die Sprache beim Betreten seiner Altbauwohnung. Rahmen an Rahmen hängen die Bilder – eine ganze Wand mit Picassos, in einer Vitrine kleine Skulpturen Giacomettis, dazu Bilder aus seinem Elternhaus. Ein Männerporträt etwa, das nach neueren Expertisen nicht von Tintoretto, sondern von Leandro Bassano gemalt ist, dessen Bilder gerne mit denen seines berühmteren italienischen Landsmannes verwechselt werden. „Das macht gar nichts, mir ist es noch genauso lieb, denn es hing in den 50erJahren schon in meinem Kinderzimmer“, sagt der 73-Jährige.
Raum an Raum geht das so, Bilder neben- und übereinander bis zur Decke. Petersburger Hängung sagt der Fachmann dazu. Bilder auch an der Wand über den Fenstern, im Gästeklo, in der Sauna. Wie viele es sind, weiß Helmut Klewan selbst nicht. Welches das erste war, auch nicht. „Als Teenager habe ich mit Niederländern angefangen“, erinnert er sich. Seine Eltern hatten in Wien das „Haus der Bilder“, in dem sie Salon-Malerei anboten, „Kaufhauskunst“, wie Klewan sagt. Seine künstlerischen Vorlieben gingen jedoch schnell in eine andere Richtung: Die Bekanntschaft mit dem „Bilderübermaler“Arnulf Rainer wurde prägend für ihn.
Was nicht hängt in Klewans Wohnung, steht auf dem Boden. Dazu kommen viele Skulpturen, die auf Tischchen platziert sind oder vor den Büchern in den Regalen. Klewans Wohnung ist keine Gemäldegalerie, dazu ist das Durcheinander zu groß. Es ist eine Schatzkiste, in der sich in allen Ecken etwas entdecken lässt.
Nicht alles ist sogenannte hohe Kunst. Klewan ist auch ein bekennender Anhänger von Kitsch. Ab und an treibe ihn „unbändiger Appetit nach Süßspeisen in die Niederungen der Salon-Malerei“, schrieb er im Vorwort zu einer Ausstellung, die in der Kunstszene legendären Ruf hat. „Triumph des Herzens“war die Schau überschrieben, die er 1982 in seiner Münchner Galerie in der Maximilianstraße zeigte. Historisierende Bilder mit Schmacht, Schmalz und Schwulst, Figürchen im Rüschenornat und allerlei andere Kuriositäten waren da versammelt. Der amerikanische Künstler Jeff Koons sah damals nur den Katalog, doch Jahre später erzählte er Klewan bei einer Begegnung: „It was a great influence for me.“Der Einfluss sei nicht zu bestreiten, meint Klewan, deutet auf zwei Figuren auf dem Tisch vor sich und meint, dass die Bezüge dazu in Koons Michael-Jackson-Arbeit doch deutlich zu erkennen seien.
Als Galerist liebte es Helmut Kle- wan, Konträres in Bezug zu setzen – und die Augen zu öffnen für Kontextualität zwischen verschiedenen Künstlern und Kunstrichtungen. Schon in seinem ersten Ausstellungsraum in Wien, den er bis 1986 betrieb, war das so. 1977 eröffnete er eine Zweigstelle in München, die schließlich von der Maximilianstraße an den Gärtnerplatz wanderte. Zur Jahrtausendwende zog sich der Österreicher, der in BadenWürttemberg geboren wurde, aus dem Galeriegeschäft zurück.
Heute gibt er Kataloge und Leporellos zu seinen Sammlungsschwerpunkten heraus – und er bestückt mit seinen Kunstwerken Ausstellungen in Museen. Gerade hat er 160 seiner bedeutendsten Werke an die Städtischen Kunstsammlungen Augsburg für die Ausstellung „Rendezvous der Künstler“ausgeliehen. Als Sammler ist Klewan aktiv wie eh und je. Jüngstes Stück seiner Kollektion ist ein gezeichnetes Selbstporträt de Chiricos. „Das hat er einer Journalistin geschenkt, die ihn interviewt hatte“, erzählt Klewan.
Es ist nicht schlimm, wenn es einem angesichts der Klewanschen Bilderflut die Sprache verschlägt: Zu jedem seiner Stücke weiß er eine Geschichte. Oft kommt er darin selbst vor, denn vielen Künstlern, deren Werke er besitzt, ist er persönlich begegnet. Wie Francis Bacon und Meret Oppenheim, für ihn das „Meretlein“. Mit vielen ist er auch befreundet. Wie mit Arnulf Rainer und dem österreichischen Aktionskünstler Hermann Nitsch. Und auf eine österreichische Malerin kommt Klewan immer wieder zu sprechen: Maria Lassnig. Sie für den deutschsprachigen Raum entdeckt zu haben, nimmt er für sich in Anspruch. 1981 zeigte er in seiner Münchner Galerie ihre erste große Ausstellung, weil es dafür in ihrem Heimatland noch kein Interesse gab. „Alle haben es sich angeschaut, aber keiner wollte etwas kaufen“, erinnert sich Klewan. Nur der Pianist Alfred Brendel erwarb damals ein Bild. Als Klewan ihn letztes Jahr nach rund 30 Jahren wiedertraf, machte er ihm das Angebot, es für eine Million Pfund zurückzukaufen. „Ganz jovial hat er mir die Hand auf die Schuler gelegt und gesagt: ,Wie Sie sich vorstellen können, brauche ich kein Geld.’ Und dabei hatte er so ein grausames Lächeln im Gesicht“, beschreibt Klewan die Szene.
Noch ein Bild, das er einmal besaß, vermisst Helmut Klewan schmerzlich: Gerhard Richters Ölgemälde „Liegestuhl II“. Er verkaufte es an zwei New Yorker Galeristen. „Schon auf dem Transport nach Übersee ist sein Wert gestiegen“, ärgert er sich noch heute. Aber nicht nur, weil er ein schlechtes Geschäft gemacht hatte, sondern vor allem, weil dieses Richter-Bild ein Hauptwerk seiner Sammlung sein könnte. So sind es die Arbeiten Alberto Giacomettis, die seine Kollektion so bedeutsam machen. In einem fensterlosen Durchgangsraum seiner Wohnung tapezieren die empfindlichen Zeichnungen, Studien und Skizzen die Wände – eine der größten Sammlungen von Papierarbeiten des Schweizer Künstlers, dessen Skulpturen heute Höchstpreise erzielen.
Auch in diesem Raum hat Helmut Klewan einiges zu erzählen, und es wird schnell klar an diesem Nachmittag in München-Haidhausen, dass die Zeit nicht reicht, um all die Geschichten zu hören, die er noch erzählen könnte. Über seine Bilder, deren Schöpfer und sich selbst. Über seinen ukrainischen Großvater Ivan Klewanow. Dass sein Geburtsname Helmut Fritz Bachmayer lautete, weil seine Mutter mit der Heirat eines schwäbischen Piloten der Schande des unehelichen Kindes entging. Dass sein leiblicher Vater ihn mit 20 Jahren adoptierte; dass er ohne Abitur und Studienabschluss ein „Wildwuchsgelehrter“sei; dass seine Großmutter mit Oskar Kokoschka in die Schule ging; dass er Rock’n’Roll liebe und mit Leidenschaft Partys veranstalte; dass er eine Schallplattensammlung mit rund 7000 Singles besitze und ein enthusiastischer Tischfußballer sei.
All das ist amüsant, interessant und kurzweilig anzuhören. Steht man allerdings vor den Bildern, den Werken Picassos, Bacons, Rainers, Lassnigs, de Chiricos, Giacomettis und vielen mehr, empfiehlt es sich auch, deren ganz eigene Sprache zu hören.
Ausstellung „Rendezvous der Künstler – Meisterwerke aus der Sammlung Klewan“im Schaezlerpalais Augsburg bis 13. November
Gerade ist die Sammlung Klewan in Augsburg zu sehen