Mittelschwaebische Nachrichten
„Mich wundert nichts mehr“
Der deutsche Olympia-Präsident Hörman hat für den Anti-Dopingkampf keine Hoffnung. An anderen Stellen fällt das Urteil der Funktionäre über die Spiele in Rio allerdings freundlicher aus
Rio Für Michael Vesper waren die Spiele „ein Ab und Auf“. Der Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft konnte nach schwachem Beginn auf der Abschlusskonferenz in Rio mitteilen, dass es doch nicht so schlimm kam wie zunächst befürchtet. Das Team gewann 42 Medaillen, nur zwei weniger als 2012 in London, dafür aber mit 17 erheblich mehr Goldmedaillen (11). Das bedeutet Rang fünf in der Rangliste mit Schwerpunkt Gold und Platz fünf bei der Anzahl der Plaketten (zusammen mit Frankreich).
Der Medaillenspiegel Nach Meinung von DOSB-Präsident Alfons Hörmann zeigt sich, dass immer mehr Nationen in die Leistungsspitze vordringen. Die USA und Großbritannien sind die Top-Nationen. „Bei den Briten hat der Effekt der Heimspiele 2012 zu einem höheren Niveau geführt“, so der Allgäuer. Die Verlierer sind für ihn China, Südkorea und Australien. „Das australische Sportsystem wurde uns immer als Vorbild gepriesen, jetzt gibt es dort eine Diskussion, ob sie sich nicht an Deutschland orientieren wollen.“
Das deutsche Team Laut Michael Vesper haben sich die Athleten „als sympathische Botschafter unseres Landes gezeigt“. Wie groß der Zusammenhalt der Mannschaft gewesen sei, habe die Gedenkfeier für den Kanuslalom-Bundestrainer Stefan Henze gezeigt, der an den Folgen eines Autounfalls gestorben ist. „Daran haben über 200 Athleten teilgenommen.“
Die sportliche Bilanz Das „ehrgeizige Ziel“(DOSB-Vorstand Leistungssport Dirk Schimmelpfennig) – die 44 Medaillen von London – wurde knapp verfehlt. Gegenüber den Zielvorstellungen gab es vor allem Defizite im Radsport, Judo und der Leichtathletik. In dieser Kernsportart (47 Entscheidungen) gab es laut Schimmelpfennig drei Problemfelder. Aussichtsreiche Athleten hatten Verletzungspausen hinter sich, die Europameisterschaft war nicht hilfreich für die Trainingssteuerung und die wegen Zika veränderte Vorbereitung brachte Unruhe. Allgemein gab es das Defizit zu weniger Finalplätze. „Wir müssen versuchen, uns in Zukunft breiter aufzustellen“, so Schimmelpfennig, der in Rio „viele Favoritenstürze“gesehen hat.
Die Gewinner Die Rennkanuten und die Reiter haben die Erwartungen mehr als erfüllt, die positive Überraschung waren die Schützen, die ihre Bilanz gegenüber London von null auf fünf verbesserten. Monika Karsch den Bann mit ihrer Medaille gebrochen hatte, ist alles optimal gelaufen“, sagt Dirk Schimmelpfennig. Der Verband habe die richtigen Schlüsse aus 2012 gezogen und Athleten zusätzlich aus seinen Mitteln gefördert. Olympia in Rio – das waren auch „Spiele der Spiele“. Die Erfolge der deutschen Mannschaften – mit den Fußballern an der Spitze – haben Strahlungskraft, ist sich DOSB-Chef Hörmann sicher. „Damit kommen fast ein Drittel unserer Olympiateilnehmer mit einer Medaille nach Hause.“
Die Verlierer Schwimmer und Fechter haben den Anschluss an die Weltklasse verpasst. Herabgesetzte Teilnahme-Normen hatten beim Schwimmen – ebenso wie in der Leichtathletik – nicht die gewünschte Wirkung. „Keiner der auf diese Weise nominierten Sportler konnte die Gunst der Stunde nutzen“, so Schimmelpfennig. Bei den Schwimmern stachen auch die wenigen Trümpfe nicht. „Das wird ein langer Weg.“
Die Reform Nach den Vorstellungen des DOSB soll in Zusammenarbeit mit Innenminister Thomas de Maizière und den Ländern bis Anfang 2018 ein neues Sportförderkonzept greifen. Es könnte zu großen Veränderungen führen, auch wenn die Frage der Finanzen noch nicht besprochen wurde. „Erst die geplante Struktur entwickeln, dann über das Geld reden“, heißt die Reihenfolge von Alfons Hörmann. Wer Spitzentrainer will, muss mehr zahlen, das weiß auch er. „Es kann ja auch sein, dass das Budget eines Verbandes auf zu viele Köpfe verteilt ist“, deutet er eine mögliche Richtung an. Auch die Zahl der Olympia- bzw. Bundesstützpunkte steht zur Disposition. „Wir sollten keine Angst davor haben, sondern unsere geistigen Kapazitäten eher zum Nachdenken und Vordenken einsetzen“, so Hörmann.
Das Dopingproblem Der DOSB„Nachdem Präsident spricht von einem Medaillenspiegel der Schande. Bei Nachtests von Urinproben früherer Spiele wurden viele Medaillengewinner überführt. Diese Wertung führen die USA und Russland mit je elf Akteuren an. Von den aktuellen Spielen wurde ein Teil der russischen Mannschaft ausgeschlossen. „Was die Arbeit der Welt-Anti-DopingAgentur angeht, hat sich mein Bild dramatisch verändert. Mich wundert nichts mehr“, so Hörmann. Die Glaubwürdigkeit des Spitzensports ist mehr als ramponiert.
Der Gastgeber Es gab Klagen über das Essen, der Transport klappte manchmal nicht wie vorgesehen, die Entfernungen waren riesig – das erste olympische Gastspiel in Südamerika hatte seine Macken, erst recht während einer großen Wirtschaftskrise in Brasilien. Die deutschen Funktionäre sind dennoch bemüht, kein allzu hartes Urteil zu fällen. Hörmann hofft trotzdem auf ein Umdenken. „So ein Sportfest von globaler Bedeutung stellt große Herausforderungen an die Organisation. Ich hoffe, das IOC und die Fachverbände diskutieren künftig anders, wenn sie die Spiele vergeben. Ich würde mir wünschen, dass die nächsten Winterspiele wieder an eine klassische Wintersportnation vergeben werden.“