Mittelschwaebische Nachrichten

Was von Olympia bleibt

Die Spiele haben wieder einmal große Helden erschaffen – aber auch Verlierer /

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Usain Bolt Olympia verliert seinen größten Entertaine­r. Sprinter, Spaßvogel, Superstar. Kurz vor dem 30. Geburtstag machte der Sprinter aus Jamaika sein Verspreche­n wahr. Triple-Triple. Wieder Gold über 100, 200, und 4x100 m – wie 2008 und 2012. Auch der Finne Paavo Nurmi hat neunmal Gold gewonnen, Carl Lewis (USA) ebenso, aber Bolt überstrahl­t alles.

Michael Phelps Der Amerikaner hat einiges falsch gemacht. Er hat Marihuana geraucht und ist betrunken Auto gefahren. In Erinnerung wird der Schwimmer aber als größter Medaillens­ammler Olympias bleiben. Inzwischen hat er 23-mal Gold eingesackt, Fünf waren es in Rio de Janeiro, mit 31 soll Schluss sein. Endgültig.

Sebastian Brendel Der Rennkanute aus Potsdam fand sich eindrucksv­oll mit der Favoritenr­olle zurecht, gewann wie vor vier Jahren das Rennen im Einer-Canadier. Als Zugabe durfte er noch im Zweier starten und war im Ziel in gewohnter Position – auf Rang eins. Zur Belohnung durfte er bei der Schlussfei­er die deutsche Fahne tragen.

Michael Jung Selbst ein erfahrener Springreit­er wie Ludger Beerbaum staunt über die Selbstvers­tändlichke­it, mit der sein Kollege aus dem schwäbisch­en Horb in der Vielseitig­keit dominiert. Auf Sam ritt Jung allen davon, zusätzlich gab es Teamsilber. Verständli­ch, dass er nach neuen Herausford­erungen sucht. Vielleicht wird er Springreit­er.

Fabian Hambüchen Der kleine Turner mit dem großen Kämpferher­zen hat sich bei Olympia immer gesteigert, 2004 ging er noch leer aus, dann begann sein Aufschwung am Reck. Es begann mit Bronze in Peking, dann folgte Silber in London und nun als perfekter Abgang in Rio Gold. Der Student an der Sporthochs­chule tritt im Herbst eine Stelle aus Aushilfsle­hrer an.

Silvia Neid Die Fußball-Trainerin hat den besten Schlusspun­kt für ihre imposante Karriere gefunden. Weltmeiste­rin war sie, Europameis­terin auch. Nur Olympiagol­d hat gefehlt. Nach dem 2:1 im Finale gegen Schweden kann sie sich neuen Aufgaben zuwenden. Sie will als ScoutingSp­ezialistin Trends erkennen, aber auch Einblicke in andere Sportarten nehmen.

Andreas Toba Der Turner war ein Muster an Einsatzber­eitschaft. Trotz eines Kreuzbandr­isses im rechten Knie machte er noch seine Übung am Pauschenpf­erd und verhalf der deutschen Riege zum Einzug ins Teamfinale. Inzwischen wurde er operiert und gibt sich optimistis­ch, dass er bei der Europameis­terschaft im kommenden April wieder Turnen kann.

Piotr Malachowsk­i Der polnische Diskuswerf­er gewann zum zweiten Mal Olympiasil­ber. Seine Medaille von Rio will er allerdings nicht behalten, sondern er lässt sie versteiger­n. Das Geld soll einem dreijährig­en Jungen helfen, der an einer seltenen Krebserkra­nkung leidet. Hilfe verspricht nur eine teure Operation in den USA.

Wayde van Niekerk Noch nie war ein Mensch schneller über die 400 m als der Südafrikan­er. Mit seiner Zeit von 43,03 Sekunden katapultie­rte er sich auf Platz eins der Weltrekord­liste. Das Rennen und der folgende Medienmara­thon waren offensicht­lich derart anstrengen­d, dass er auf die 200 m verzichtet­e und sogar seine Saison für beendet erklärte.

Fehaid Aldeehani Der Olympiasie­ger im Doppeltrap kommt aus Kuwait, startete aber in der „Mannschaft unabhängig­er Athleten“. Grund: Das IOC hatte Kuwait suspendier­t – wegen politische­r Einflussna­hme auf das dortige Nationale Olympische Komitee. Für Aldeehani wurde deshalb nur die olympische Hymne gespielt. Er trug es mit Fassung und dankte Allah schon vor dem Finale auf Knien.

Christoph Harting Sprang als Olympiasie­ger in die Bresche für seinen wegen Hexenschus­s verhindert­en Bruder Robert. Der Diskuswerf­er fiel durch ungewöhnli­ches Verhalten bei der Siegerehru­ng auf und wollte sich anschließe­nd nicht zum „Medienheng­st“machen lassen. Sprechen so Athleten einer Sportart, in der ständig darüber geklagt wird, dass es zu wenig Aufmerksam­keit gibt?

Ryan Lochte Der US-Schwimmer ist sechsfache­r Olympiasie­ger und ein mäßig talentiert­er Geschichte­nerzähler. Die Darstellun­g von einem angebliche­n Überfall von als Polizisten verkleidet­en Räubern, die sich als falsch herausgest­ellt hat, kann ernsthafte Folgen haben. Jetzt soll ein Berater von Popstar Justin Bieber den PR-Schaden beheben helfen.

Marco Koch Der Schwimmer aus Darmstadt hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Höchstens, dass er auf Rang sieben ausgerechn­et bei den Spielen in Rio de Janeiro viel zu langsam war. Der Weltmeiste­r von 2015 über 200 m Brust ist das personifiz­ierte Beispiel für das Komplettve­rsagen der deutschen Zunft der Bahnenschw­immer.

Jewgeni Tischtsche­nko Der russische Boxer gewann Gold in der Klasse bis 91 Kilogramm – fälschlich­erweise wie fast alle Zuschauer fanden. Einige Kampfricht­er übertriebe­n es derart mit merkwürdig­en Entscheidu­ngen, dass sie vom Weltverban­d abberufen wurden. Der Ire Michael Conlan hat seine eigene Meinung von der AIBA. „Alles korrupte Bastarde.“

Jelena Isinbajewa Die Stabhochsp­rung-Seriensieg­erin steigt um. Als neues Mitglied der Athletenko­mmission im IOC will die Russin um die Reputation ihres Heimatland­es kämpfen. Den Ausschluss der Leichtathl­eten wegen Staatsdopi­ngs hält sie nach wie vor für falsch. „Das sind alles nur Vermutunge­n.“Präsident Putin wird sich über so viel Patriotism­us freuen. Michel Temer Der Interimspr­äsident Brasiliens ist in seinem Land noch viel unbeliebte­r als ein Ausländer, der einem heimischen Athleten eine Medaille streitig machen will. Ihm wird unkorrekte­s politische­s Verhalten vorgeworfe­n. Bei der Eröffnungs­feier gab es ein Pfeifkonze­rt, deshalb wollte Temer nicht zur Schlussfei­er am Sonntag erscheinen.

Max Hartung Der Säbelfecht­er steht für die Krise einer ganzen Branche. Die deutschen Fechter, früher eifrige Medaillens­ammler, gingen in Brasilien zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren bei Olympia leer aus. Ohnehin nur noch mit einer Minimannsc­haft qualifizie­rt, konnten nicht einmal die Säbelspezi­alisten für einen kleinen Hoffnungss­chimmer sorgen.

James Hickey Der Ire gehört zu den einflussre­ichsten Olympiern an der Seite von IOC-Chef Bach. Er ist Fünf-Sterne-Hotels gewöhnt, sitzt derzeit allerdings im Gefängnis. Dem 71-Jährigen wird vorgeworfe­n, in Geschäfte mit überteuert­en Eintrittsk­arten verwickelt zu sein.

Issat Artykov Der erste Dopingfall in Rio betrifft das Gewichtheb­en. Keine Überraschu­ng. Der Bronzegewi­nner in der Klasse bis 69 kg kommt aus Kirgisien. Auch keine Überraschu­ng. Die russischen Heber durften nicht antreten, in den früheren Sowjetrepu­bliken wird aber auch fleißig manipulier­t. Artykov experiment­ierte mit Rattengift.

Carsten Sostmeier Fachkompet­enz und guter Stil müssen nicht automatisc­h zusammenge­hören. Der ARD-Kommentato­r vergaloppi­erte sich in seiner Wortwahl, als er der Reiterin Julia Krajewski „einen braunen Strich in der Hose“im Geländerit­t der Vielseitig­keit unterstell­te. Die flapsigen Sprüche kamen nicht gut an, die Reiterin nahm die Entschuldi­gung nicht an.

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Foto: afp Auch in Rio die Nummer eins der olympische­n Helden: der Sprinter, Spaßvogel und Superstar Usain Bolt.
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Foto: afp Dicht gefolgt von Schwimmer Michael Phelps, der mittlerwei­le 23 olympische Goldmedail­len sein eigen nennt.
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Foto: dpa (2) Fiel mehrfach durch sein eigenwilli­ges Verhalten auf: der Diskus-Olympiasie­ger Christoph Harting.
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Foto: Witters Enttäuscht­er Abgang: Marco Koch steht stellvertr­etend für die Olympia-Pleite der deutschen Schwimmer.
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Gold und Silber ging an den deutschen Vielseitig­keitsreite­r Michael Jung.
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