Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn das Getreide nasse Füße bekommt

Warum die Ernte heuer teilweise schlecht ausfällt. Welchen Einfluss das Wetter hat und warum es nie perfekt sein kann

- VON JOHANNA SEITZ

Landkreis Feucht und warm, nass und kalt: Das wechselhaf­te Wetter hat bei der Ernte seine Spuren hinterlass­en. Michael Wiedemann, Kreisobman­n des BBV, bezeichnet die diesjährig­e Ernte als „deutlich unterdurch­schnittlic­h“. „Sie liegt zum Teil rund 20 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Außerdem unterschre­itet sie eindeutig den langjährig­en Durchschni­ttswert.“Der gleichen Ansicht ist Rupert Goldstein vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Krumbach (AELF). „Das ist nicht, was man gewöhnt war. Die Erträge lassen zu wünschen übrig.“Offenbar hat es dabei den Landkreis Günzburg besonders hart getroffen. Bayernweit liegt das Ergebnis der Getreideer­nte in diesem Jahr nämlich leicht über dem langjährig­en Durchschni­tt, wie das Statistisc­he Landesamt in einer Pressemeld­ung mitteilt.

Der entscheide­nde Faktor für die magere Ausbeute sei das unbeständi­ge Wetter. „Der Landwirt hat eine offene Werkstatt“, sagt Goldstein. Deshalb ist er auf die Umwelt angewiesen. Im Frühjahr und Frühsommer war es zu nass und kalt, später war auf das Erntewette­r kein Verlass. „Immer, wenn es einigermaß­en trocken war, hat es wieder geregnet“, sagt Wiedemann. Den richtigen Zeitpunkt für die Ernte abzupassen war somit sehr schwer.

Die feuchte Witterung begünstigt außerdem Pflanzenkr­ankheiten, vor allem Pilzinfekt­ionen. So wird dieses Jahr wegen des häufigen Befalls mit einem Schlauchpi­lz namens Fusarium als Fusarienja­hr bezeichnet. „Er befällt Getreide, das dadurch weder für Mensch noch Tier genießbar ist. Biogasanla­gen sind im Prinzip die einzige Möglichkei­t, die Pflanzen noch zu verwerten“, erklärt Wiedemann. Allerdings sind die Pilze nicht das Hauptprobl­em. „Fusarien kann man in den Griff bekommen“, meint auch Goldstein. „Aber wenn die natürliche­n Bedingunge­n insgesamt nicht stimmen, fällt die Ernte trotzdem schlecht aus.“In einem regeninten­siven Jahr seien leichte, wasserdurc­hlässige Böden von Vorteil. Ein schwerer Untergrund dagegen halte das Wasser besser, was wiederum bei trockenem Wetter eine gute Eigen- schaft darstelle. Allerdings komme es dadurch bei viel Regen zu Staunässe. „Vor allem für Getreide sind nasse Füße nicht positiv“, sagt Goldstein.

Dieses Jahr seien beispielsw­eise beim Weizen die Körner sehr klein. „Weil sie nur wenig Mehlkörper enthalten, ist die Mehlausbeu­te schlecht“, erklärt Wiedemann. Dem Getreide habe schönes Wetter gefehlt. „Ohne ausreichen­d Sonnenlich­t können die Pflanzen nicht ihr volles Potenzial entwickeln. Das bedeutet einen regelrecht­en Stress für das Getreide. Das Ergebnis ist eine geringe Korngröße und somit ein nicht zufriedens­tellender Ertrag“, sagt Goldstein. Unter anderem hätten auch die Kartoffelb­auern kein gutes Jahr.

Mit 19,2 Prozent mache der Winterweiz­en, laut Wiedemann, dieses Jahr den drittgrößt­en Anteil der Anbaupflan­zen im Landkreis Günzburg aus. Davor lägen nur Silomais und Wiesen. Natürlich hat das wechselhaf­te Wetter auch einige Gewinner: „Der Mais hat sich wunderschö­n entwickelt“, freut sich Goldstein. „Auch bei anderen Pflanzen wie beispielsw­eise Ackerbohne­n und Zuckerrübe­n sind die Erträge nicht schlecht.“

Nach der Ernte werden Zwischenfr­üchte als „bodenkonse­rvierende Maßnahme“gesät. Die Bodenbedec­kung sei wichtig, um die austrockne­nde Sonne abzuhalten. Außerdem gibt es noch andere Vorteile: „Klee beispielsw­eise bindet Luftsticks­toff, sodass dieser bereits auf natürliche Weise im Boden enthalten ist“, erklärt Wiedemann. „Zusätzlich stellen die Pflanzen für Bienen eine Nahrungsqu­elle dar, durch die sie sich bis in den Herbst versorgen können.“

Die Vielseitig­keit der Bedürfniss­e mache es schwer, sich für ein einheitlic­hes „perfektes“Wetter zu entscheide­n. „Das würde wohl für jeden anders aussehen“, meint Michael Wiedemann. „Wenn das Getreide gedeihen soll, wünscht man es sich heiß und trocken. Für die Zwischenfr­üchte ist feuchtes Wetter besser.“Laut Rupert Goldstein gibt es eine Wetterlage, die in keinem Jahr fehlen sollte: „Eine zusammenhä­ngende Schönwette­rperiode ist sehr wichtig. Sowohl für die Gesundheit der Pflanzen als auch für die Ernte.“

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