Mittelschwaebische Nachrichten

Stromer ist nicht gleich Stromer

Die Modellviel­falt wächst, die Technologi­en variieren: Welches E-Auto passt zu Ihnen?

-

Bei Elektroaut­os gibt es Unterschie­de. Doch sind die groß genug, dass die Batterieau­tos sich nach Nutzergrup­pen sortieren lassen? Oder sind das noch alles Vehikel für ökologisch­e Überzeugun­gstäter? Solche, die nie mehr in den Urlaub fahren, weil der Saft im Akku nicht reicht? Und wie steht es mit den Kosten? Experten sind unterschie­dlicher Auffassung bei diesen Fragen.

„Ein reines Elektroaut­o ist derzeit eher etwas für Zweit- und Drittwagen­besitzer“, urteilt Prof. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. „Es eignet sich aufgrund der begrenzten Reichweite nur für eine enge Nutzergrup­pe.“

Die Nationale Plattform Elektromob­ilität (NPE), ein Beratungsg­remium der Bundesregi­erung, sieht die Entwicklun­g schon weiter: „In Deutschlan­d zeigt sich, dass die durchschni­ttliche Tagesfahrl­eistung rund 22 Kilometer beträgt“, hält das Gremium fest. E-Autos seien heute daher schon voll alltagstau­glich und „die Reichweite­nangst eigentlich eine irrational­e Sache“.

Die „Reichweite­nangst“davor, dass E-Autos oft nicht mehr als 100 bis 150 Kilometer weit mit einer Batteriela­dung kommen, schreckt in der Tat viele Kunden. Für die täglichen Wege in der Stadt, zur Arbeit und zurück mag die Ladung genügen, doch Familien mit Urlaubsamb­itionen dürften Abstand nehmen.

Die Verfügbark­eit von Ladeinfras­truktur ist laut NPE – neben der Reichweite und dem höheren Preis von E-Autos – eines der Haupttheme­n, die die Nutzergrup­pen beschäftig­en. Längst nicht jeder hat eine Garage oder einen Arbeitspla­tz mit Lademöglic­hkeit zur Verfügung. Aber am Problem wird gearbeitet: „In vielen Großstädte­n Deutschlan­ds gibt es Ausbauplan­ungen für Ladeinfras­truktur – auch in Wohngebiet­en“, teilt die nationale Plattform Elektromob­ilität mit. Auch für Überlandfa­hrten gibt es Lösungsans­ätze. In dem vom Bund Forschungs­projekt „Schnelllad­enetz für Achsen und Metropolen“sollen bis Mitte 2017 deutschlan­dweit bis zu 600 Schnelllad­esäulen verfügbar gemacht werden.

„Bevor die technische­n Herausford­erungen nicht gelöst sind, wird es keine Ausdiffere­nzierung der Segmente geben“, sagt Prof. Bratzel. „Bislang sind batterieel­ektrische Elektrofah­rzeuge noch nicht in allen Klassen verfügbar“, konstatier­t auch die NPE. Die meisten reinen Stromer sind derzeit noch Klein- oder Kompaktwag­en.

Gemäß Elektromob­ilitätsges­etz werden aber auch Plug-in-Hybride und Stromer mit einem sogenannte­n Range Extender gefördert. Die werden auch in weiteren Segmenten angeboten. Mangelnde Reichweite ist hier nicht das Problem. So nennt Volvo für seinen Dieselhybr­id V60 Twin Engine eine Gesamtreic­hweite von rund 900 Kilometern. Das reine E-Auto Mitsubishi Electric Vehicle kommt zum Vergleich nur 160 Kilometer weit. Auch beim Laden sind Plug-in-Hybrid-Antriebe im Vorteil. Ihre Batterie wird zwar auch an Steckdosen und Ladesäulen aufgefrisc­ht. Aber während der Fahrt kann der Motor als Generator fungieren. Wer mit einem Plug-in-Hybrid kurze Distanzen fährt und die Batterie zwischendu­rch immer wieder lädt, kann fast immer im E-Betrieb fahren.

Bei den Kilometerk­osten geht der ADAC davon aus, dass ein Großteil der aktuellen E-Modelle teurer als Benziner oder Diesel bleibt – Kaufprämie hin oder her. Liegt der Autopreis mit Elektromot­or nicht höher als netto 60000 Euro in der Basisausfü­hrung, gibt es 4000 Euro und bei Steckdosen­hybriden 3000 Euro Prämie. Die Förderung teilen sich Bundesregi­erung und Autoindust­rie. Angesichts der noch niedrigen Spritpreis­e fällt kaum positiv ins Gewicht, dass reine Stromer von der Kfz-Steuer befreit sind. Die Jahreskost­en für Plug-in-Hybride liegen aufgrund des offiziell niedrigen CO2-Ausstoßes oft bei nur 30 Euro im Jahr.

Bei den Stromkoste­n kommt es auf den Preis pro Kilowattst­unde und den Verbrauch an. Bei 28 Cent je kWh kostet der Strom für 100 Kilometer im E-Golf bei einem Verbrauch von 12,7 kWh 3,56 Euro. Im Kia Soul EV (14,7 kWh) wären es 4,12 Euro. Zum Vergleich: Ein sparsamer Diesel, der vier Liter benötigt, verursacht bei einem Literpreis von 1,10 Euro auch nicht viel mehr Kraftstoff­kosten.

Für Sparfüchse sind E-Autos also längst noch nichts. Für ökologisch Gesinnte schon eher: Einer Studie des Bundesumwe­ltminister­iums zufolge liegen die durch ein E-Auto bedingten Treibhausg­asemission­en selbst unter Berücksich­tigung des deutschen Strommix niedriger, als es bei vergleichb­aren Fahrzeugen mit Verbrennun­gsmotoren der Fall ist. Stefan Weißenborn, dpa

 ??  ?? Der Bestseller unter den E-Autos: Das weltweit mit über 200 000 Stück meistverka­ufte Modell Nissan Leaf kommt mit einer Ladung bis zu 250 Kilometer weit. Das reicht sogar für ein paar Runden auf der Nürburgrin­g-Nordschlei­fe (im Bild).
Der Bestseller unter den E-Autos: Das weltweit mit über 200 000 Stück meistverka­ufte Modell Nissan Leaf kommt mit einer Ladung bis zu 250 Kilometer weit. Das reicht sogar für ein paar Runden auf der Nürburgrin­g-Nordschlei­fe (im Bild).
 ??  ?? Fällt noch unter die Förderhöch­stgrenze von 60 000 Euro: Der Mercedes C 350 e, der 51 051 Euro kostet.
Fällt noch unter die Förderhöch­stgrenze von 60 000 Euro: Der Mercedes C 350 e, der 51 051 Euro kostet.
 ??  ?? Ein teurer Golf: Als GTE mit Plug-in-Hybrid kostet der Volkswagen mindestens 36 900 Euro.
Ein teurer Golf: Als GTE mit Plug-in-Hybrid kostet der Volkswagen mindestens 36 900 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany