Mittelschwaebische Nachrichten
Ober- sticht Unter-Patriarch
Beim Kartenspiel Schafkopf gilt die Regel: Ober sticht Unter. Die Trumpf-Hierarchie bewahrheitet sich auch im Leben einer seltenen Spezies, der Patriarchen. In der Welt mächtiger und von sich reichlich überzeugter Männer halten Alpha- Betamänner seit jeher in Schach. Bei Volkswagen ist Ferdinand Piëch nach wie vor der Ober-Patriarch, auch wenn er sich im Zuge der Abgas-Affäre aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen hat.
Auf der Volkswagen-DominanzRangliste folgte einst der bullige Martin Winterkorn als erster UnterPatriarch. Doch „Wiko“, wie Letzterer genannt wird, stürzte über die Diesel-Affäre. Der eine, Piëch, ist als VW-Mitbesitzer ein Milliardär, der andere, Winterkorn, als ehedem fürstlich dotierter Angestellter ein Multi-Millionär. Das schafft bei aller früheren Vertrautheit lebenslange Distanz. Piëch hat reichlich Manager fallen lassen, wenn ihre Leistungen nachließen. Dazu würde es passen, dass er jetzt, wie ein Bericht nahelegt, noch mehr als bisher auf Distanz zu Winterkorn geht. Wenn Piëch „Wiko“wirklich attestiert, frühzeitig von Abgas-Tricksereien gewusst zu haben, würde er ihn belasten. Das wäre ein Fall von Ober- sticht Unter-Patriarch.
Noch bleibt indes unklar, wer für den VW-Skandal verantwortlich ist. Nach wie vor mutet es seltsam an, dass ausgerechnet Piëch, der sich mit technischen Kleinigkeiten eines neuen Modells auskennt, nicht frühzeitig über die Schummeleien informiert war. Schließlich hat der detailversessene Mann als berüchtigter Spaltmaß-Fanatiker die Fugen der VW-Autos nachgemessen und sich den pedantischen Spitznamen Fugen-Ferdl erworben.