Mittelschwaebische Nachrichten

Wie geht es mit dem Dax weiter?

Analyse In diesem Jahr hat sich der Deutsche Aktieninde­x als Stehaufmän­nchen erwiesen. Jetzt häufen sich wieder skeptische Stimmen

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Frankfurt Stehaufmän­nchen sind fasziniere­nde Spielzeuge: Drückt man sie nach unten, schnellen sie wie von Geisterhan­d geführt wieder nach oben. Ähnliche Qualitäten besaß in diesem Jahr auch der Deutsche Aktieninde­x Dax: Im Frühjahr riss ihn das Börsenbebe­n in China in die Tiefe – er erholte sich. Im Juni sorgte das Brexit-Votum für einen Kursrutsch – und er berappelte sich abermals. So stand der deutsche Leitindex Mitte August bei gut 10 700 Punkten, nachdem er in diesem Jahr im Februar schon unter 9000 Zählern notierte. Zuletzt ging es nur etwas bergab. Am Freitag ging der Dax bei knapp 10600 Zählern aus dem Handel.

Doch mittlerwei­le kommen Zweifel auf, dass der Dax auch in Zukunft ähnliche Steherqual­itäten an den Tag legt. Erste Anleger steigen aus, manche Experten wie der prominente US-Investor George Soros wetten gar auf einen Absturz.

Doch warum klettern die Börsen überhaupt seit Jahren, obwohl die Welt voller politische­r und wirtschaft­licher Krisen ist, von Terror und Krieg ganz zu schweigen? Das billige Geld der Notenbanke­n ist der Treibstoff, der die Aktiennoti­erungen antreibt. Minizinsen auf der einen Seite und billionens­chwere Kaufprogra­mme auf der anderen Seite fluten die Finanzmärk­te mit Liquidität, also Geld, und weil festverzin­sliche Anlageprod­ukte kaum noch etwas abwerfen, greifen viele Investoren notgedrung­en zu Aktien.

Diese lockere Geldpoliti­k, die eigentlich die Realwirtsc­haft, also Firmen, ankurbeln soll, ist gleichzeit­ig die Achillesfe­rse der Börsen. „Die Anleger sind in Sachen Geldpoliti­k auf der Hut, weil die jüngsten Kursgewinn­e bei Aktien vor allem von der Hoffnung auf niedrige Zinsen für längere Zeit getragen wurden“, sagt Marktanaly­st Jochen Stanzl vom Handelshau­s CMC Markets. Das Problem: Zum einen haben sich die Finanzmärk­te an das Billiggeld gewöhnt und damit hat die Wirkung nachgelass­en. Zum anderen nähert sich die Zeit des billigen Geldes in den USA dem Ende.

Sollte die US-Notenbank Fed den Leitzins tatsächlic­h schon im September erhöhen, weil der Arbeitsmar­kt im Land gut läuft, dürften Aktien wieder gegenüber festverzin­slichen Wertpapier­en wie Anleihen an Attraktivi­tät verlieren. Laut Marktstrat­ege Robert Halver von der Baader Bank würde zudem eine straffere Geldpoliti­k „auf die internatio­nalen Konjunktur­pflänzchen wie ein Rasenmäher wirken“. So droht zum Beispiel ein massiver Rückfluss von Kapital aus den Schwellenl­ändern in die USA, wenn dort wieder höhere Zinsen winken.

Bei diesen Aussichten zeigen Profis Aktien die kalte Schulter: Laut der US-Investment­bank Merrill Lynch horten Fondsmanag­er aktuell überdurchs­chnittlich viel Bargeld. Hierzuland­e reduzierte die DZ Bank sogar den Aktienante­il in ihrem Musterdepo­t auf null. „Anhaltende Unruhen weltweit, Terroransc­hläge in Europa und die unklaren Folgen des Brexit-Votums wirken bereits heute belastend sowohl auf die Konsumnach­frage als auch auf Neuinvesti­tionen“, sagt DZ-Anlagestra­tege Christian Kahler.

Leben in Zeiten des Anlagenots­tands

In den vergangene­n Wochen sind die Aktienkurs­e aber dennoch nach kleineren Rückschläg­en immer wieder unbeirrt gestiegen. Alleine die Europäisch­e Zentralban­k kauft Monat für Monat für 80 Milliarden Euro Staatsanle­ihen oder Unternehme­nsanleihen, um gegen Mini-Inflation und Konjunktur­schwäche zu kämpfen. Die Renditen mancher Anleihen liegen schon im Minusberei­ch. Experten sprechen mittlerwei­le von einem Anlagenots­tand, der selbst private Sparer förmlich in Aktien treibe. „So haben die jüngsten politische­n Unsicherhe­iten paradoxerw­eise das Umfeld für risikobeha­ftete Wertpapier­e eher verbessert als verschlech­tert“, erklärt Christian Heger, Chefanlege­r beim Vermögensv­erwalter HSBC Global Asset Management in Deutschlan­d.

Speziell der Dax hat nach der Einschätzu­ng der Privatbank M.M. Warburg noch Luft nach oben, da deutsche Aktien vergleichs­weise günstig zu haben seien. Denn während die Wall Street jüngst einen Rekord nach dem nächsten feierte, steht der Dax weiter unter seinem Höchststan­d von 12 390 Punkten, den er im April vergangene­n Jahres erreicht hatte. Die Party aber geht nur so lange weiter, wie die Anleger glauben, dass all das billige Geld letztlich tatsächlic­h in die Wirtschaft fließt und so am Ende die Unternehme­nsgewinne in die Höhe treibt.

Doch es mehren sich die Zweifel an der Wirksamkei­t der EZB-Geldpoliti­k. „Das bisherige Anleihekau­fprogramm ist verpufft, bevor es realwirtsc­haftlich überhaupt „Peng“gemacht hat“, sagt Baader-Marktstrat­ege Halver. Wenn er recht behält, wird es eng für das Stehaufmän­nchen Dax. Thomas Kaufner, dpa

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Foto: Daniel Reinhard, dpa Es ist wie immer: Die Meinungen gehen auseinande­r, ob und wie viel Luft der Deutsche Aktieninde­x noch nach oben hat.

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