Mittelschwaebische Nachrichten

Im Reich der Nackerten

- VON JOSEF KARG jok@augsburger-allgemeine.de

Wie viel Bekleidung ist Frauen beim Baden erlaubt? Dieses Thema wurde in den vergangene­n Monaten in vielen Ländern Europas heiß diskutiert. Natürlich auch in Bayern, wo die Welle der BurkiniDeb­atte an den Gestaden der Gewässer im Freistaat spätsommer­lich ausplätsch­ert. Wer in diesen Tagen über ein Verbot der Ganzkörper­verhüllung sinniert, der sollte auch über die Folgen eines Zwangs zur kompletten Enthüllung nachdenken.

Nehmen wir eine Strandsaun­a in einem idyllische­n Tal an einem oberbayeri­schen See, wo Liegen in unmittelba­rer Wassernähe einladen. Wer dort die einzig weiße Stelle seines ansonsten gebräunten Körpers vor Sonnenbran­d schützen möchte und in Badeshorts schlüpft – was übrigens nirgendwo schriftlic­h verboten ist – wird bald mit dem Schatten eines sumoringer­artigen Mannsbilde­s konfrontie­rt, der der Hamam-Chef zu sein scheint und sich als solcher vorstellt. Jener, übrigens auch nicht textilfrei, da er ein XXLHandtuc­h um die mächtigen Hüften geschlunge­n hat, scheint der gestrenge Hüter der Nacktheit zu sein: „Ich beobachte Sie jetzt schon länger. Wir sind hier textilfrei. Ziehen Sie endlich Ihre Badehose aus!“

So wird man zum Außenseite­r im Reich der Hüllenlose­n, deren mit Fragen getränkte Blicke sich in die Lendengege­nd des Verhüllten bohren: Warum ist der nicht nackt? Will der sich sattsehen an der Nacktheit der anderen, ohne sich selbst zu entblößen? Ist das ein Sittenstro­lch?

Was lernen wir? Wer sich nicht textilfrei in eine oberbayeri­sche Seesauna begibt, kriegt eine Ahnung davon, dass zwischen Freikörper­kultur und der Diktatur der Nackerten manchmal kaum ein Unterschie­d ist. In diesem Sinne: Es lebe der Burkini! Und noch ein Hinweis: Legen Sie Ihr Handtuch über die Hüften und nutzen Sie die Badehose als Kopfpolste­r, nicht umgekehrt. Denn dieses Textil, also das Handtuch, ist als Lendenschu­tz erlaubt.

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