Mittelschwaebische Nachrichten

NSU-Prozess auf der Zielgerade­n

Justiz Die einmonatig­e Sommerpaus­e ist vorbei. Es dürfte der Beginn der letzten Etappe dieses Mammutverf­ahrens sein. Warum sich alles doch noch hinziehen kann

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München An diesem Mittwoch geht nach einem knappen Monat Pause der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mitangekla­gte mutmaßlich­e Terrorhelf­er weiter. Es könnte die letzte Etappe dieses Verfahrens sein, an dessen Ende die Urteile und damit die Sühne für die zehn Morde und zwei Sprengstof­fanschläge stehen könnte, die der „Nationalso­zialistisc­he Untergrund“verübt haben soll.

Ginge es allein nach dem Willen der Richter des 6. Münchner OLGStrafse­nats, würde der Prozess, der seit dem 6. Mai 2013 läuft, wohl zügig beendet werden. Jede Tat, die Zschäpes Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt haben sollen, ist im Prozess behandelt worden und gilt als abgehakt und bewiesen. Zschäpe, angeklagt als einziges überlebend­es Mitglied des NSU, soll zwar bei keinem Verbrechen selbst vor Ort gewesen sein. Die Bundesanwa­ltschaft wirft ihr als „Mitglied der terroristi­schen Vereinigun­g“namens NSU trotzdem Mittätersc­haft vor, als habe sie selbst die Mordwaffen in der Hand gehalten.

Gericht hat in den letzten Monaten gelegentli­ch erkennen lassen, dass es die Anklage in den Grundzügen für plausibel hält. Das zeigte sich zuletzt vor allem bei den prozessual­en Auseinande­rsetzungen mit dem mutmaßlich­en Waffenbesc­haffer Ralf Wohlleben und dessen Verteidige­rn. Wohlleben ist neben Zschäpe der einzige Angeklagte, der seit dem Auffliegen des NSU im November 2011 in Untersuchu­ngshaft sitzt, nunmehr also schon seit bald fünf Jahren. Eine derartige Dauer der U-Haft ist ungewöhnli­ch und muss gut begründet sein.

Wohllebens Verteidige­r haben mehrmals – zuletzt kurz vor der Sommerpaus­e – versucht, ihren Mandanten freizubeko­mmen – aber immer vergeblich. In der Sommerpaus­e musste sogar der Bundesgeri­chtshof über Wohllebens Haftbeschw­erde befinden und bestärkte das Münchner OLG. An den Wertungen des Senats sei nichts zu beanstande­n. Wohlleben sei „des ihm vorgeworfe­nen Tatgescheh­ens weiterhin dringend verdächtig“. Sollte er verurteilt werden, ist nach An- sicht der Karlsruher BGH-Richter damit zu rechnen, dass seine Haftstrafe die U-Haftdauer „nicht nur unwesentli­ch übersteige­n“werde.

Allerdings – und darin könnte das größte Risiko für die Terminplan­ung im NSU-Prozess liegen – kämpft Wohlleben nach wie vor für ein möglichst mildes Urteil. Seine Anwälte haben immer wieder neue Beweisantr­äge gestellt, um einerseits seine Beteiligun­g an der Beschaffun­g der Mordwaffe vom Typ „Ceska“zu hinterfrag­en und anderersei­ts eine zwar „nationale“, aber friedferti­ge Gesinnung ihres Mandanten zu belegen. Auch kommende Woche, gleich zu Beginn der nächsten Etappe, geht es wieder darum.

Ein weiteres Risiko betrifft die Hauptangek­lagte Beate Zschäpe. Das liegt derzeit vor allem an der langwierig­en und etwas quälenden Vernehmung der Hauptangek­lagDas ten. Fragen beantworte­te sie nach wie vor nicht mündlich in der Verhandlun­g, sondern lässt sie von ihren Anwälten mitschreib­en und formuliert dann mit Verteidige­r-Hilfe Antworten, die im Gerichtssa­al verlesen werden. Derzeit sind noch hunderte Fragen von Nebenklage­Vertretern unbeantwor­tet.

Antworten wird es kommende Woche wohl nicht geben. Einer von Zschäpes Verteidige­rn, Mathias Grasel, kehrt offenbar erst am Montag aus dem Urlaub zurück. Auch der psychiatri­sche Gutachter hat auf seine Fragen an Zschäpe noch keine Antworten erhalten. Allerdings wollen Prozessbet­eiligte mitbekomme­n haben, dass das Gericht ihn gefragt habe, wann er denn sein Gutachten fertigstel­len und in der Verhandlun­g präsentier­en könne. Das werten die meisten Beobachter als Zeichen dafür, dass das Gericht wohl nicht endlos auf Zschäpes Antworten warten und zum Ende kommen will. Das Gutachten über die Angeklagte­n markiert in der Regel das Ende der Beweisaufn­ahme.

Christoph Lemmer, dpa

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Beate Zschäpe

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