Mittelschwaebische Nachrichten
Spiel’s noch einmal
Hollywood Jetzt „Ben Hur“und „Die glorreichen Sieben“, dann „Dirty Dancing“und „Jumanji“… – Neuauflagen und Fortsetzungen prägen das Kino. Haben wir das Beste hinter uns? Ist die Zukunft die Vergangenheit, effektverstärkt?
Wie lange es wohl noch dauert, bis sich jemand an „Casablanca“wagt? Oder an „Vom Winde verweht“, „High Noon“? Wann wird „Titanic 2“gedreht? Eine computeranimierte Version vom „König der Löwen“wird wohl schon in Planung sein, oder? Wer sich die aktuelle Filmwelt betrachtet, könnte jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass die Zukunft des Hollywood-Kinos eigentlich nur noch tief in der Vergangenheit liegen kann. So sehr ist die Gegenwart beherrscht von Neuverfilmungen und Fortsetzungen, die auch kaum mehr sind als Neuaufgüsse des schon Dagewesenen.
Zum Beispiel: Nachdem in diesem Jahr schon der Action-Klassiker „Gefährliche Brandung“wiederbelebt wurde, „Das Dschungelbuch“digitalisiert zurückkehrte und „Ghostbusters“geschlechtsumgewandelt wurde, läuft diese Woche mal wieder „Ben Hur“an und kommt demnächst ein erstes Remake des Westerns „Die glorreichen Sieben“, der ja in den Sechzigern schon in Fortsetzung ging und später zur Fernsehserie wurde. Auferstehungen von „Dirty Dancing“und „Jumanji“sind bereits angekündigt. Das füllt einiges vom Programmplatz, der noch übrig ist zwischen „Ice Age 5“und „Fast & Furious 7“, „Superman vs. Batman“und „Alice im Wunderland hinter den Spiegeln“, „Independance Day 2“und dem dritten Teil der neu gestarteten „Star Trek“-Reihe, James und Jason Bourne, „Bridget Jones“zum Dritten und der Fortsetzung von „Findet Nemo“. Gebastelt wird bereits an der Rückkehr der Marke „Baywatch“und einem neuen, wohl nicht letzten Teil der Serie „Indiana Jones“. Ende dieses Jahres läuft nach dem Start der neuen Star-Wars-Trilogie nun das erste Spin-off, eine herausgelöste Nebengeschichte; zudem hat mit „Suicide Squad“eben die immer neue Wiederaufnahme der Erlebnisse von Comic-Helden ein neues Stadium erreicht, das die Möglichkeiten der freien Kombination aller möglichen Charaktere weiter vorantreibt.
Nun könnte man auch noch hinzufügen, dass Hollywood auch immer mehr Drehbücher von Filmen aufkauft, die in anderen Ländern erfolgreich waren, von Til Schweigers „Honig im Kopf“oder dem preisgekrönten Darknet-Thriller „Who Am I“aus Deutschland etwa oder „Ziemlich beste Freunde“aus Frankreich – und auch im Bereich der zuletzt so gelobten US-Fernsehserien steht der große Rückgriff an: von „Alf“bis „MacGyver“vom „A-Team“bis zu „Akte X“. Findet die Traumfabrik keine neuen Stoffe mehr? Liegt das Beste schon hinter uns, weil die Ideen für gute Geschichten nicht unendlich sind? Das freilich müsste dann ja schon längst auch für Romane gelten…
Nein, es kommen vielmehr zweierlei Entwicklungen zusammen. Zum einen zeigt sich die Filmindustrie an den neuen Möglichkeiten berauscht, die durch die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre jetzt zur Verfügung stehen. So können Action-, Massen- und Fantasy-Aufnahmen in einer Perfektion verwirklicht werden, wie sie lange allein der Vorstellung des Menschen überlassen waren. Jetzt ist alles hochauflösend und dreidimensional möglich. Damit wirken Klassiker gerade für das jüngere Publikum noch schneller veraltet als bislang. Und weil der Aufwand für die UmBond setzung und die Kosten der notwendigen Starbesetzung steigen, sinkt offenkundig das Augenmerk für den Plot. So kann man sich bei den alten Geschichten bedienen und hat den Vorteil, das ältere Publikum mit den Stoffen noch mal und das jüngere erstmals neugierig zu machen.
Und damit ist das zweite Problem auch schon genannt. Die Zuschauer nämlich neigen in der Masse offenbar immer stärker zu den großen Marken. Seit 2010 hat es nur ein einziger wirklich neuer Film unter die erfolgreichsten des Jahres geschafft: Christopher Nolans „Inception“. Und selbst der große Oscar-Sieger „Birdman“mit Michael Keaton hat gerade einmal 87 Millionen Dollar eingespielt, weltweit – gemessen an Erfolgen wie dem der Neuauflage des Dinosaurier-Abenteuers „Jurassic World“fast schon eine Marginalie. Das schlägt in einer Zeit, die Hollywood ohnehin seit Jahren in der Umsatzkrise sieht, besonders hart zu Buche. Zur Finanzierung sind inzwischen häufiger internationale Geldgeber-Konsortien vonnöten – und für die Risiko-Geldanlage ziehen neben den großen Namen eben die großen Marken. So ist sogar von einem Großprojekt wie Brad Pitts Zombie-Streifen „World War Z“bekannt, dass Extra-Szenen mit chinesischen Stars gedreht wurden, um so mit einer speziellen Filmversion spezielle Anreize für den chinesischen Markt zu schaffen – und damit auch spezielle Garantien für die chinesischen Geldgeber.
Und noch ein Drittes schlägt zu Buche: die immer unmittelbarere Rückkopplung zwischen Konsumverhalten und Filmprogramm. Beim immer breiter genutzten Streamen im Netz nämlich werden immer genauer und umfangreichere Daten erhoben, wer was wann anwählt, wirklich anschaut oder abbricht. Nach den Ergebnissen werden inzwischen nicht nur die Dramaturgien von Filmen umgestaltet, sondern auch die Auswahl der Stoffe wird verstärkt an einem errechneten Bedarf ausgerichtet. Und bei allem stimmt die Masse und ihr Verhalten. So wird der Überraschungserfolg durch die Ausrichtung an der Wahrscheinlichkeit nahezu verunmöglicht. So dehnt sich die Herrschaft des bereits erfolgreich Gewesenen immer weiter aus.
Und findet offenbar doch seine Grenzen. Der in den USA bereits angelaufene „Ben Hur“jedenfalls ist am Startwochenende mit einem Einspielergebnis von nur 11 Millionen Dollar geradezu durchgefallen.