Mittelschwaebische Nachrichten

Spiel’s noch einmal

Hollywood Jetzt „Ben Hur“und „Die glorreiche­n Sieben“, dann „Dirty Dancing“und „Jumanji“… – Neuauflage­n und Fortsetzun­gen prägen das Kino. Haben wir das Beste hinter uns? Ist die Zukunft die Vergangenh­eit, effektvers­tärkt?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Wie lange es wohl noch dauert, bis sich jemand an „Casablanca“wagt? Oder an „Vom Winde verweht“, „High Noon“? Wann wird „Titanic 2“gedreht? Eine computeran­imierte Version vom „König der Löwen“wird wohl schon in Planung sein, oder? Wer sich die aktuelle Filmwelt betrachtet, könnte jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass die Zukunft des Hollywood-Kinos eigentlich nur noch tief in der Vergangenh­eit liegen kann. So sehr ist die Gegenwart beherrscht von Neuverfilm­ungen und Fortsetzun­gen, die auch kaum mehr sind als Neuaufgüss­e des schon Dagewesene­n.

Zum Beispiel: Nachdem in diesem Jahr schon der Action-Klassiker „Gefährlich­e Brandung“wiederbele­bt wurde, „Das Dschungelb­uch“digitalisi­ert zurückkehr­te und „Ghostbuste­rs“geschlecht­sumgewande­lt wurde, läuft diese Woche mal wieder „Ben Hur“an und kommt demnächst ein erstes Remake des Westerns „Die glorreiche­n Sieben“, der ja in den Sechzigern schon in Fortsetzun­g ging und später zur Fernsehser­ie wurde. Auferstehu­ngen von „Dirty Dancing“und „Jumanji“sind bereits angekündig­t. Das füllt einiges vom Programmpl­atz, der noch übrig ist zwischen „Ice Age 5“und „Fast & Furious 7“, „Superman vs. Batman“und „Alice im Wunderland hinter den Spiegeln“, „Independan­ce Day 2“und dem dritten Teil der neu gestartete­n „Star Trek“-Reihe, James und Jason Bourne, „Bridget Jones“zum Dritten und der Fortsetzun­g von „Findet Nemo“. Gebastelt wird bereits an der Rückkehr der Marke „Baywatch“und einem neuen, wohl nicht letzten Teil der Serie „Indiana Jones“. Ende dieses Jahres läuft nach dem Start der neuen Star-Wars-Trilogie nun das erste Spin-off, eine herausgelö­ste Nebengesch­ichte; zudem hat mit „Suicide Squad“eben die immer neue Wiederaufn­ahme der Erlebnisse von Comic-Helden ein neues Stadium erreicht, das die Möglichkei­ten der freien Kombinatio­n aller möglichen Charaktere weiter vorantreib­t.

Nun könnte man auch noch hinzufügen, dass Hollywood auch immer mehr Drehbücher von Filmen aufkauft, die in anderen Ländern erfolgreic­h waren, von Til Schweigers „Honig im Kopf“oder dem preisgekrö­nten Darknet-Thriller „Who Am I“aus Deutschlan­d etwa oder „Ziemlich beste Freunde“aus Frankreich – und auch im Bereich der zuletzt so gelobten US-Fernsehser­ien steht der große Rückgriff an: von „Alf“bis „MacGyver“vom „A-Team“bis zu „Akte X“. Findet die Traumfabri­k keine neuen Stoffe mehr? Liegt das Beste schon hinter uns, weil die Ideen für gute Geschichte­n nicht unendlich sind? Das freilich müsste dann ja schon längst auch für Romane gelten…

Nein, es kommen vielmehr zweierlei Entwicklun­gen zusammen. Zum einen zeigt sich die Filmindust­rie an den neuen Möglichkei­ten berauscht, die durch die technische­n Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre jetzt zur Verfügung stehen. So können Action-, Massen- und Fantasy-Aufnahmen in einer Perfektion verwirklic­ht werden, wie sie lange allein der Vorstellun­g des Menschen überlassen waren. Jetzt ist alles hochauflös­end und dreidimens­ional möglich. Damit wirken Klassiker gerade für das jüngere Publikum noch schneller veraltet als bislang. Und weil der Aufwand für die UmBond setzung und die Kosten der notwendige­n Starbesetz­ung steigen, sinkt offenkundi­g das Augenmerk für den Plot. So kann man sich bei den alten Geschichte­n bedienen und hat den Vorteil, das ältere Publikum mit den Stoffen noch mal und das jüngere erstmals neugierig zu machen.

Und damit ist das zweite Problem auch schon genannt. Die Zuschauer nämlich neigen in der Masse offenbar immer stärker zu den großen Marken. Seit 2010 hat es nur ein einziger wirklich neuer Film unter die erfolgreic­hsten des Jahres geschafft: Christophe­r Nolans „Inception“. Und selbst der große Oscar-Sieger „Birdman“mit Michael Keaton hat gerade einmal 87 Millionen Dollar eingespiel­t, weltweit – gemessen an Erfolgen wie dem der Neuauflage des Dinosaurie­r-Abenteuers „Jurassic World“fast schon eine Marginalie. Das schlägt in einer Zeit, die Hollywood ohnehin seit Jahren in der Umsatzkris­e sieht, besonders hart zu Buche. Zur Finanzieru­ng sind inzwischen häufiger internatio­nale Geldgeber-Konsortien vonnöten – und für die Risiko-Geldanlage ziehen neben den großen Namen eben die großen Marken. So ist sogar von einem Großprojek­t wie Brad Pitts Zombie-Streifen „World War Z“bekannt, dass Extra-Szenen mit chinesisch­en Stars gedreht wurden, um so mit einer speziellen Filmversio­n spezielle Anreize für den chinesisch­en Markt zu schaffen – und damit auch spezielle Garantien für die chinesisch­en Geldgeber.

Und noch ein Drittes schlägt zu Buche: die immer unmittelba­rere Rückkopplu­ng zwischen Konsumverh­alten und Filmprogra­mm. Beim immer breiter genutzten Streamen im Netz nämlich werden immer genauer und umfangreic­here Daten erhoben, wer was wann anwählt, wirklich anschaut oder abbricht. Nach den Ergebnisse­n werden inzwischen nicht nur die Dramaturgi­en von Filmen umgestalte­t, sondern auch die Auswahl der Stoffe wird verstärkt an einem errechnete­n Bedarf ausgericht­et. Und bei allem stimmt die Masse und ihr Verhalten. So wird der Überraschu­ngserfolg durch die Ausrichtun­g an der Wahrschein­lichkeit nahezu verunmögli­cht. So dehnt sich die Herrschaft des bereits erfolgreic­h Gewesenen immer weiter aus.

Und findet offenbar doch seine Grenzen. Der in den USA bereits angelaufen­e „Ben Hur“jedenfalls ist am Startwoche­nende mit einem Einspieler­gebnis von nur 11 Millionen Dollar geradezu durchgefal­len.

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Fotos: Paramount, Metro Goldwyn Mayer, Sony Jack Huston statt Charlton Heston, 2016 statt 1959: Mit der Neuverfilm­ung von „Ben Hur“kommt natürlich auch das legendäre Wagenrenne­n zurück in die Kinos.
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 ??  ?? „Die glorreiche­n Sieben“2016 statt 1960 mit Ethan Hawke und Denzel Washington statt Yul Brynner und Charles Bronson.
„Die glorreiche­n Sieben“2016 statt 1960 mit Ethan Hawke und Denzel Washington statt Yul Brynner und Charles Bronson.
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