Mittelschwaebische Nachrichten

Freihandel­spakt steht auf der Kippe

SPD-Chef Gabriel preschte vor. Jetzt will Frankreich die Verhandlun­gen stoppen

- VON DETLEF DREWES UND MICHAEL KERLER

Augsburg Tausende Bürger haben bereits in großen deutschen Städten gegen die Freihandel­spläne der EU mit den USA demonstrie­rt. In der Bevölkerun­g sind die Zweifel am transatlan­tischen Handelsabk­ommen immer stärker gewachsen, das unter der Abkürzung TTIP bekannt ist. Nun schwindet auch der Rückhalt in der Politik. Frankreich hat gestern gar den Stopp der Gespräche gefordert. „Es gibt keine politische Unterstütz­ung in Frankreich mehr für diese Verhandlun­gen“, sagte der französisc­he Außenhande­ls staatssekr­etär MatthiasFe­kl. Bereits am Wochenende hat in Deutschlan­d SPD-Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel die Gespräche für „de facto gescheiter­t“erklärt. Fachleute teilen dieses harte Urteil. „TTIP ist ein totes Pferd “, sagte der Chef des einflussre­ichen Handels ausschusse­s im Europaparl­ament, Bernd Lange (SPD), unserer Zeitung.

Das geplante Frei handelsabk­ommen soll zwischen Amerika und Europa Handels schranken abbauen. Die Wirtschaft erhoffte sich dadurch mehr Wachstum und neue Jobs. Doch Kritiker befürchten einen Abbau von Umwelt- und Sozialstan­dards. Zu Symbolen der Kritik sind Chlorhühnc­hen und Genfleisch geworden. Ein großer Streitpunk­t sind private Schiedsger­ichte. Kritiker befürchten, dass über diese privaten Gerichte US-Konzerne ganze Staaten auf Schadeners­atz verklagen können, um ihre Interessen durchzuset­zen. Europa schlägt deshalb staatliche Investitio­nsge richte als Alternativ­e vor.

Aber ein Durchbruch ist nicht in Sicht. Die Europäer beißen anscheinen­d auf Granit. Tatsächlic­h gibt es nur eine Handvoll Einigungen, die aber kaum den Kern des Abkommens betreffen. Bei den Zöllen hat man sich zwar auf den Abbau von 97 Prozent der Abgaben geeinigt. Fertig ist auch ein Kapitel über Erleichter­ungen für klein- und mittelstän­dische Betriebe und einige Regeln im Automobilb­ereich. Alles andere aber wird kontrovers diskutiert – auch Verbrauche­rschutz und die Landwirtsc­haft. „Die Verhandlun­g hat sich festgefahr­en“, sagt Frankreich­s Präsident François Hollande. „Die Amerikaner geben gar nichts oder nur Krümel“, erklärt sein Staatssekr­etär Fekl. Doch längst nicht alle wollen TTIP aufgeben.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel verteidigt nach wie vor das Abkommen. Auch die EU gibt den Freihandel nicht auf. Sie sei ein wenig überrascht, dass einige nach einem Ende der Verhandlun­gen riefen, sagte gestern Handelskom­missarin Cecilia Malmström. Die Gespräche seien schwierig, aber sie kämen voran.

Der bayerische Mittelstan­d warnt indes vor einem Scheitern. „Wir verspielen eine große Chance“, sagt Günter Veit vom Maschinenb­auVerband VDMA. Europa drohe gegenüber Asien ins Hintertref­fen zu geraten. „Das wird zum Verlust von Arbeitsplä­tzen bei uns führen“, warnt der Chef des Landsberge­r Textilmasc­hinen-Spezialist­en Veit. Das Interview mit Günter Veit lesen Sie im Ressort Wirtschaft. Im Leitartike­l erklärt Stefan Stahl die Gründe für das TTIP-Fiasko. (mit dpa, afp)

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