Mittelschwaebische Nachrichten
Die Gesichter des Sigmar Gabriel
Ein Jahr vor der Bundestagswahl versucht der SPD-Chef, sich von der umstrittenen Flüchtlingspolitik der CDU-Kanzlerin abzusetzen. Doch wie glaubwürdig ist der Kurswechsel?
cken, indem man den Eindruck erweckt, es sei Ziel deutscher Politik, jedes Jahr eine Million Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.“
Tatsächlich wird Gabriel selbst von Parteifreunden nicht mit großer Beständigkeit im politischen Alltag verbunden, obwohl der Niedersachse immerhin der inzwischen am längsten amtierende SPD-Vorsitzende seit der langen Ära Willy Brandts ist. Beständig ist allerdings das Formtief der Sozialdemokraten in den Umfragen: Seit der letzten Bundestagswahl dümpelt Gabriels Partei mit geringen Ausschlägen nach oben und unten um die 25-Prozent-Marke herum.
Manche Genossen hoffen, dass der SPD ähnlich wie 2005 unter Gerhard Schröder ein Stimmungsumschwung im Endspurt gelingt. Doch wie schon bei der damals folgenden ersten Großen Koalition fällt es den Sozialdemokraten schwer, sich gegen Merkel zu profilieren. Zwar spaltet die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin die Nation wie kein anderes Thema ihrer Amtszeit. Doch bislang wurde die SPD dabei im Großen und Ganzen eng an der Seite der Kanzlerin verortet.
Mit seiner Absetzbewegung von der Regierungschefin bekommt Gabriel ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zwar hatte er kurz nach der Grenzöffnung im Herbst 2015 tatsächlich
Die CDU spricht von bodenloser Unverschämtheit
mehrfach betont, dass die Bundesrepublik nicht Jahr für Jahr eine Million Migranten aufnehmen könne: „Wir nähern uns in Deutschland mit rasanter Geschwindigkeit den Grenzen unserer Möglichkeiten“, sagte er vergangenen Oktober.
Doch noch schärfer verurteilte Gabriel eben die CSU-Forderungen nach einer Obergrenze, nämlich als „Wasser auf die Mühlen der AfD“. Bei geschlossenen Grenzen wäre Europa am Ende: „Wir müssten doch einen Zaun rund um Deutschland ziehen und die Bundeswehr mit aufgepflanztem Bajonett an die Grenze stellen“, sagte Gabriel beim SPD-Parteitag im Dezember.
In einem Interview betonte der SPD-Chef damals, die Kanzlerin und er selbst hätten das gleiche Konzept: Außengrenzen sichern und Kontingente nach Deutschland holen. Als eine Kontingentlösung am Widerstand der EU-Partner scheiterte, arbeitete SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier maßgeblich am Zustandekommen des umstrittenen Flüchtlingspakts mit der Türkei mit.
Für Gabriel dürfte ein Wahlkampf gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin damit nicht einfach werden.