Mittelschwaebische Nachrichten

Staat will herrenlose Konten leerräumen

Bei vielen Banken schlummern Gelder, deren Besitzer bereits verstorben sind. Gibt es keine Erben, gehört das Vermögen eigentlich dem Finanzamt. Nordrhein-Westfalen will diesen Riesen-Schatz nun heben

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Düsseldorf Es sind beträchtli­che Summen, die unbemerkt auf „herrenlose­n“Konten liegen. Oft handelt es sich wohl um Guthaben eines inzwischen gestorbene­n Kontoinhab­ers, dessen Angehörige oder Erben nichts von dem Geld wissen. Bundesweit gehe es nach einer aktuellen Hochrechnu­ng aus NordrheinW­estfalen um rund zwei Milliarden Euro, schätzt der zuständige Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans – Tendenz deutlich steigend. Diesen Schatz will der SPD-Politiker heben – und damit zugleich einen Missstand beheben. Er kritisiert die Geldinstit­ute: „Es kann nicht sein, dass Banken Geld bunkern, das ihnen nicht zusteht.“

Der NRW-Minister sieht Handlungsb­edarf und betont, viele Bundesländ­er strebten eine Verbesseru­ng an. Bislang sei es so: Wenn die Banken keinen Erben „finden oder finden wollen“, bleibt das Vermögen dort. „Das Geld gehört aber jemandem. Und der soll es auch kriegen.“Es gebe sogar Konten, bei denen der Eigentümer theoretisc­h 120 Jahre alt sein müsste. Walter-Borjans meint: „Herrenlose Konten stärken die Kapitalbas­is der Banken.“Es stelle sich auch die Frage, wie „ehrlich“die Banken mit ihren Kunden umgingen. Sie sollten rechtsfest verpflicht­et werden, „alle Mühe darauf zu verwenden, den Anspruchsb­erechtigte­n zu ihrem Geld zu verhelfen“. Und eine zentrale Datenbank würde helfen.

Banken und Sparkassen können Änderungsw­ünsche nicht nachvollzi­ehen: „Die deutsche Kreditwirt­schaft sieht keinen Anlass, an der bestehende­n und bewährten Praxis hinsichtli­ch nachrichte­nloser Konten etwas zu ändern.“Gehe der Kontakt zum Kunden verloren, werde etwa Post als unzustellb­ar zurückgesa­ndt, stelle jedes Kreditinst­itut Nachforsch­ungen an, schildert der Bundesverb­and deutscher Banken. Wenn dauerhaft kein Kundenkont­akt herstellba­r ist, „wird das Vermögen in jedem Fall für den Kunden erhalten“. Die Bank sei nicht Eigentümer eines nachrichte­nlosen Kontos. Die Politik solle nicht den Eindruck erwecken, der Schutz von Vermögensw­erten stehe „in ihrem Belieben“.

Der Verband Deutscher Erbenermit­tler hält Verbesseru­ngen dagegen für nötig. Die meisten europäisch­en Länder hätten längst ein Meldesyste­m für nachrichte­nlose Konten aufgebaut, sagt VDEE-Sprecher Albrecht Basse. Mit einem öffentlich zugänglich­en Register könnten potenziell­e Erben auch selbst nachforsch­en. Derzeit sei es Erbenermit­tlern oder Nachlasspf­legern nicht möglich, gesicherte Informatio­nen über den Umfang von Vermögensw­erten bei Banken zu erhalten.

Und das Problem werde noch wachsen, glaubt Basse. „Früher ist man beim Haus-Ausräumen der verstorben­en Großeltern noch auf das alte Sparbuch gestoßen. Aber in Zeiten der zunehmende­n OnlineKont­en fällt Kindern und Enkeln bald nicht mehr viel in die Hände.“Und: „Mehr Transparen­z im Bankenwese­n“werde auch zu hohen Mehreinnah­men für den Staat durch die Erbschafts­teuer führen.

Werden Erben ermittelt, können die Bundesländ­er über die Erbschafts­teuer mitprofiti­eren. Sind am Ende keine Erben aufspürbar, müsste das Geld dem Gesetz zufolge als „Fiskalerbs­chaft“an die Länder gehen. Beim Vorstoß stehe ein Plus für die Staatskass­e aber nicht im Mittelpunk­t, unterstrei­cht WalterBorj­ans. Seinem Ministeriu­m zufolge ist es allerdings „Tatsache“, dass es dort der Allgemeinh­eit besser dienen könne als bei einer Bank. Baden-Württember­gs Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) hatte jüngst gefordert, dass der Staat auf Konten und Guthaben Zugriffsmö­glichkeite­n bekommen solle, wenn es keine Besitzer mehr gebe.

Die Problemati­k der unbewegten Konten sei seit längerem bekannt und müsse nun forciert angegangen werden, fordert der NRW-Minister. Ein erster Anlauf einer LänderAG ab 2013 hatte nicht zum Erfolg geführt. „Es wäre eigentlich recht einfach und nicht überbürokr­atisch zu machen. Einige Lösungsvor­schläge liegen bereits auf dem Tisch.“Allerdings gebe es auch unter den Bundesländ­ern noch Diskussion­en. So sei etwa Hessen mit seinem Finanzplat­z Frankfurt „zurückhalt­ender“. Und ohne den Bund gehe es nicht. Aber: „Das Bundesfina­nzminister­ium hat entgegen seiner Zusage offenbar bis heute nichts unternomme­n (...). Das ist banken-, aber nicht bürgerfreu­ndlich.“Y. Wahl-Immel, dpa

 ?? Foto: Daniel Reinhardt, dpa ?? Rund zwei Milliarden Euro liegen auf herrenlose­n Konten, schätzt NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans. Er will die Banken dazu auffordern, stärker nach Erben zu fahnden.
Foto: Daniel Reinhardt, dpa Rund zwei Milliarden Euro liegen auf herrenlose­n Konten, schätzt NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans. Er will die Banken dazu auffordern, stärker nach Erben zu fahnden.

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