Mittelschwaebische Nachrichten
Aus Lust am Lesen, aus Liebe zur Literatur
Vor sieben Jahren setzten Bürger aus Maierhöfen im Landkreis Lindau auf bedruckte Seiten und richteten eine Dorfbücherei beinahe im Alleingang ein. Bis sie zum neuen Treffpunkt wurde, gab es viel zu tun – und zu lernen
Maierhöfen Bücher muss man auch mal wegwerfen. Hinein in die Tonne, hinein ins Altpapier. Das mussten sie als Erstes lernen. Und ja, die Scheu war groß, erinnern sich Brigitte Prinz und ihre Mitstreiter. Die Bürger aus Maierhöfen haben vor sieben Jahren einen großen Schritt gewagt. Beinahe im Alleingang haben sie eine Dorfbücherei aus dem Boden gestampft. In Zeiten von Computer, Internet und E-BookReader haben sie Zweiflern getrotzt. Und einen Treffpunkt in der 1600-Seelen-Gemeinde im Landkreis Lindau geschaffen.
Wehen die bunten Fahnen vor dem Gemeindezentrum, der IbergHalle, ist im Keller Trubel. Vor allem für die Kinder sind die Stoffbahnen Zeichen: Die Bücherei hat geöffnet, mittwochs von 16 bis 18 Uhr. Gezwungene Stille, nur geraunte Gespräche, ein böse gezischtes „Psst“gibt es dort nicht. Die Leser sollen sich dort zum Plausch treffen und vor allem die Kinder herzhaft kichern, wenn sie durch die Seiten blättern.
Die Kleinen waren auch Anstoß für das Projekt, erinnert sich Margret Wille vom Bücherei-Team. Das Ziel: Lust am Lesen wecken. Bürgerbeteiligung gibt es in der Gemeinde im Argental schon lange. Bei der Dorferneuerung 2004 bildeten sich verschiedene Arbeitskreise: Tourismus und Gewerbe, Natur und Umwelt, Jugend. Und eben auch Kunst, Kultur und Geschichte – das waren die Begründer der Bücherei.
Sie habe keine Ahnung, wer zuerst darauf gekommen ist, erzählt Gertrud Greif-Müller. „Aber eine Dorfbücherei, dachte ich mir, die würde mir gefallen.“Dabei war Greif-Müller gar nicht im KulturArbeitskreis. So, wie viele andere der neun Ehrenamtlichen, die die Literatur heute in Maierhöfen verwalten. Engagiert hat sie sich trotzdem von Anfang an für diese Idee.
Den Bürgermeister und die Gemeinderäte zu überzeugen war nicht schwer. Viele haben gleich mit an- gepackt, der Rathauschef vorneweg. Die Iberg-Halle wurde damals ohnehin umgebaut. Der Abstellraum im Keller war frei. 5000 Euro Unterstützung gab es von der Gemeinde. Zudem sammelte das BüchereiTeam selbst fleißig Geld. FleeceMützen und Pärchenhandschuhe haben sie auf dem Weihnachtsmarkt verkauft. „Nächtelang haben wir genäht“, erzählt Brigitte Prinz. Und immer wieder Bücher gesammelt.
Dann kamen jede Menge Kisten. Auf einen Aufruf hin entrümpelten die Bürger ihre Regale. Regelrecht. Die Spenden, die vor der Tür standen, waren alles Mögliche. „Reihenweise Uta Danellas“, sagt Prinz. „Bücher in allen Zuständen: von neu bis verschimmelt“, ergänzt Stefanie Kemper. „Am Anfang haben wir schon auch Mist in die Regale gestellt“, verrät Greif-Müller und entschuldigt sich beinahe.
Mittlerweile sind die Regale ordentlich gefüllt. Jedes Buch, sortiert Genre, ist mit einem Aufkleber versehen. „Krimis gehen am besten“, sagt Prinz. „Und Kinderbücher. Es kommen ganz viele Kinder oder Mütter, die für ihre Kinder ausleihen“, ergänzt Greif-Müller. „Im Laufe der Jahre weiß man, was gefragt ist.“So verschwand bald die „wahnsinnig viele“esoterische Literatur, die anfangs viele Bretter belegte. Die Werke mit den abgegriffenen Seiten kamen raus. Zu unattraktiv.
Wie viele Bücher nun den fast 50 Quadratmeter großen Raum füllen, wissen die Frauen nicht. 2000 bis 3000, schätzen sie. Wer es genau wissen will, muss selbst durchzählen. Einen Computer, der alles verwaltet, gibt es nicht. Margret Wille: „Hier ist Handarbeit angesagt.“In farbigen Ordnern tragen die Frauen ein, wer was mitnimmt und zurückgibt. Für einen Jahresbeitrag unter zehn Euro kann jeder so viel ausleihen, wie er möchte. Und weil das oft viel ist, arbeiten an Öffnungstagen immer zwei aus dem Team. „Einer alleine schafft den Ansturm nicht“, sagt Prinz.
Ausgemistet wird regelmäßig. Alle drei Monate gibt es neue Bücher. Die Bücherei finanziert sich größtenteils selbst. Jeder im Team darf einkaufen. Von der Werbe-Designerin zur Übersetzerin, von der gelernten Biologin und Schriftstellenach rin bis zur Hausfrau und Großmutter: Die Mischung ist groß. Jeder setzt einen anderen Akzent. Viel haben sie eigentlich nicht gemein, sagen die Frauen. Mit Ausnahme ihrer Liebe zur Literatur. Und dass sie alle inzwischen eines gelernt haben: Wenn ein Buch ausgedient hat, kommt es in die Tonne.