Mittelschwaebische Nachrichten

Ein trauriger Mann, der sehr lustig war

Der ewige „Willy Wonka“: Warum Krauskopf Gene Wilder unvergesse­n bleiben wird

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Bevor es um all das Köstliche, Witzige und Irre gehen kann, den König einer Schokolade­nwelt und den in ein Schaf verliebten Psychiater – bevor also ein großer Held der Komödie seinen Auftritt hat, muss es um die Tragödie gehen. Denn der brillante US-Schauspiel­er Gene Wilder ist am Montag im Alter von 83 Jahren gestorben; und was daran besonders berührt, ist die Mitteilung seines Neffen, der sagte, sein so legendär wortgewand­ter Onkel habe – nachdem er vor 20 Jahren den Krebs besiegt hatte – final an Alzheimer gelitten, drei Jahre lang, das aber der Öffentlich­keit verschwieg­en, um seine Fans nicht zu bekümmern: „Er konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass es ein Lächeln weniger in der Welt geben würde.“

Nun war der als Jerome Silberman geborene Sprössling russischer Einwandere­r persönlich ja sowieso eher eine Verkörperu­ng des ClownKlisc­hees, der Witze macht, dabei aber eine Träne im Gesicht hat. Er bezeichnet­e sich selbst als „bedrückt, melancholi­sch und skeptisch“, mit einer Rollen-Vorliebe für „traurige Männer, die lustig sind“. Wie er diese dann aber spielte, brachte deutlich mehr Lächeln in die Welt. Gelernt hatte er das Schauspiel­en beim berühmten Theaterreg­isseur Lee Strasberg, so etwas wie der Erfinder des „Method Acting“, bei dem der Darsteller nicht in eine Rolle schlüpft, sondern einen Charakter durch seine eigene Person entwickelt. Wilder spielte so unter anderem am Broadway in Brechts „Mutter Courage“– und weil seine Kollegin im Stück privat mit dem werdenden Film-Komödien-Krösus Mel Brooks ausging, soll Wilder so auch zufällig vor die Kamera gekommen sein. Hübsche Legende. Nachweisli­ch aber war Brooks’ Musical-Satire „Frühling für Hitler“sein erster großer Film.

Und was sollte alles folgen! Eben der großartige Willy Wonka in „Charlie und die Schokolade­nfabrik“(den Regiestar Tim Burton beim Remake mit Johnny Depp vor einigen Jahren doch bloß imitieren, aber nicht erreichen konnte). Und eben Dr. Doug Ross, der in der Sodomie-Episode von Woody Allens „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“einen armenische­n Hirten bei seiner erkalteten Beziehung zum Schaf Daisy therapiere­n soll und dem Tier dabei selbst verfällt. Aber er war auch (wie beim heute 90-jährigen Mel Brooks) „Frankenste­in Junior“, die Schildkröt­e im (auch später von Tim Burton neu verfilmten) „Alice im Wunderland“– und vor allem ein Teil des hinreißend albernen Duos „Die Glücksjäge­r“, er als der taube Dave, der dunkelhäut­ige Richard Pryor als der blinde Wally. Nach Auftritten in der USFernseh-Sitcom „Will & Grace“2002 wurde es aber sehr ruhig um Gene Wilder. Er, der den Krebstod seiner dritten Frau in seinem ersten Buch aufgearbei­tet hatte, schrieb nur noch, Memoiren, Kurzgeschi­chten, einen Spionagero­man und lebte zuletzt mit seiner vierten Frau zurückgezo­gen, längst weit weg von Hollywood. (mit dpa)

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Foto: Mychele Daniau, afp Gene Wilder (11.6.1933 – 29.8.2016)

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