Mittelschwaebische Nachrichten
Auf dem Weg nach unten
Tennis Sabine Lisicki findet auch bei den US Open nicht aus der Krise. In der ersten Runde ist für die ehemalige Bum-Bum-Bine Schluss. Jetzt soll ihr ein 85-Jähriger helfen
New York In all ihrer sportlichen Verzweiflung setzt Sabine Lisicki wieder auf den 85 Jahre alten Trainer-Guru Nick Bollettieri. In der Akademie des renommierten Lehrmeisters in Florida sucht die einstige Strahlefrau des deutschen DamenTennis irgendwie einen Ausweg aus ihrer Negativspirale.
„Es war ein schwieriges Jahr, es war alles durcheinander“, sagte die 26-Jährige nach ihrem deprimierenden Erstrunden-Aus bei den US Open. Ob sie die vergangenen Monate eher als „zum Vergessen“, „beschissen“oder „zum Lernen“bezeichnen würde? „Alles, alles zusammen. Welche schlechten Worte fallen mir noch ein?“, antwortete Lisicki – und konnte da schon wieder lachen.
1:6, 2:6 hatte Lisicki am Eröffnungstag des Grand-Slam-Turniers in New York verloren. Gegen Julia Putinzewa aus Kasachstan. Nach nur 65 Minuten war das ungleiche Kräftemessen beendet – und Lisicki musste wieder einmal eine Erstrunden-Pleite erklären und verstehen. Doch sie tat dies nicht unter Tränen oder nach Ausreden suchend, sondern erstaunlich selbstkritisch und erfrischend offenherzig.
Dabei wird die frühere Wimbledonfinalistin und ehemalige Nummer 12 der Welt in der neuen Branchenwertung vermutlich aus den Top 100 stürzen. Die Zeiten von „Bum-Bum-Bine“, wie die in Bradenton/Florida und München lebende Lisicki nach ihrem Wimbledon-Wunder vom Boulevard getauft wurde, sind passé.
2013 hatte sie sich frech und unbekümmert bis ins Finale von Wimbledon und in die Herzen der Fans gespielt. Seitdem aber geht es mit einer Geschwindigkeit bergab, für die das Wort schwindelerregend erfunden wurde. So ganz lässt sich die sportliche Talfahrt auch nicht von ihren privaten Rückschlägen trennen. Mitte März endete nach etwas mehr als zwei Jahren die Beziehung mit Oliver Pocher. Dass der Entertainer auch jetzt noch auf der Anlage in New York unterwegs ist, macht es Lisicki nicht einfacher – auch wenn sie über dieses Thema nicht mehr sprechen mag und Fragen danach ihr sichtlich zusetzen.
Die letzten vier Monate des vergangenen Jahres musste Lisicki wegen einer Knieverletzung pausieren. Wie schwer nun der Weg zurück ist, dokumentieren die Ergebnislisten des Jahres 2016. Ein Achtelfinale auf Mallorca und ein Viertelfinale in Kuala Lumpur ragen heraus. Ansonsten: Aus in der ersten Runde in Stuttgart, Rom, Doha und bei den French Open. Zweitrunden-Scheitern bei den Australian Open, in Miami und Indian Wells.
Weil sie unbedingt zu den Olympischen Spielen wollte, gönnte sich Lisicki keine längere Auszeit, was sie nun als Fehler bezeichnete. Auch in der Trainerfrage stellte sich keine Kontinuität ein. Von dem Spanier Salvador Navarro trennte sich Lisicki Anfang August nach nur drei Monaten schon wieder, nachdem zuvor die Zusammenarbeit mit dem früheren Davis-Cup-Spieler Christopher Kas zu Ende ging und sie zwischenzeitlich wieder von ihrem Vater Richard betreut wurde. „Im Moment habe ich keine Lust, zu suchen und weiter zu probieren. Es muss Ruhe einkehren“, sagte Lisicki.
Sie will erst einmal wieder in der Bollettieri-Akademie schuften. Vielleicht ist es auch die verzweifelte Suche nach den Erfolgen zu Beginn ihrer Karriere. Denn in Florida formte sie der Ex-Coach von Größen wie Andre Agassi oder Maria Scharapowa zu der Weltklassespielerin, die sie einmal war und unbedingt wieder werden möchte. (dpa)