Mittelschwaebische Nachrichten
Flugkunststücke stören das Idyll
Lärm Einige Bewohner im Holzwinkel ärgern sich über einen ganz speziellen roten Flieger. Der Vorsitzende des Luftsportvereins Günzburg erklärt, was dahinter steckt
Altenmünster-Hennhofen Es könnte so idyllisch sein im Garten von Johann Rößle. Hinter der Hecke am Rande von Hennhofen, einem Ortsteil von Altenmünster, erstrecken sich saftige Wiesen und Felder, dahinter beginnt der Wald. Seit 1982 wohnt Rößle mit seiner Familie hier, doch nun ist es mit der Ruhe regelmäßig vorbei: Ein Flieger macht ganz in der Nähe seine Kunststücke. Rößle malt mit dem Finger dessen Weg in die Luft. „Erst gibt er Vollgas und schraubt sich hoch. Dann wird es leise, und er lässt sich runterfallen. Und wenn er wieder hochzieht, dann heult er wieder auf.“
Der Kunstflieger nervt zurzeit viele Anwohner im Bereich Altenmünster, Holzheim, Landensberg. Sie fühlen sich von dem Fluglärm gestört. „Das Problem ist, dass das kein gleichmäßiges Geräusch ist“, sagt Rößle. Auch andere Flugzeuge seien hier unterwegs, „aber die brummen ein bisschen und dann sind sie wieder weg“. Wenn die knallrote Kunstflug-Maschine allerdings Loopings, Schrauben und Sturzflüge macht, dann ist das „sehr lästig“, sagt der Hennhofer. Zumal es ausgerechnet am Wochenende und zur Mittagszeit komme – manchmal sogar vier Mal am Tag, sagt Rößle, der auf einem Zettel die Zeiten aufgeschrieben hat. In diesem August sei es besonders schlimm, da hat er schon mehr als 20 Flüge notiert.
Das Flugzeug, um das es geht, ist eine „Extra 300 LP“. Es gehört einer Haltergemeinschaft, insgesamt sechs Piloten sind mit ihm unterwegs, sagt Johann Britsch, Vorsitzender des Luftsportvereins Günzburg. Britsch ist einer davon, betont aber: Er fliege damit nicht in diesem Bereich. Andere Piloten starten damit allerdings vom Flughafen Augsburg aus und machen sich von dort auf den Weg nach Westen. Der Grund: In dem Bereich Altenmünster/Holzheim gibt es seit 2014 eine sogenannte Kunstflugbox. Das ist ein Gebiet, das explizit für solche Kunstflüge ausgewiesen ist. Über ein Erlebnisgeschenke-Portal im Internet kann man sogar einen Mitflug buchen: 369 Euro kosten die 20 Minuten reine Flugzeit in der roten Zweisitzer-Maschine.
Johann Britsch betont: „Das ist alles genehmigt und erlaubt. Wir leben in einem Rechtsstaat.“Und mehr als sechs bis acht Minuten dauerten die Kunststücke sowieso nicht – „länger hält das kein Pilot aus“. Er empfiehlt den Kritikern, die Flugzeiten aufzuschreiben und anzuzeigen. „Dann wird man ihnen sagen, dass alles rechtens ist.“Ein Pilot müsse seinen Flug an mehreren Stellen anmelden, über Radar werde er komplett überwacht. Diese Antwort hat auch Johann Rößle auf seine Beschwerde bei der Deutschen Flugsicherung erhalten: Die Auswertung der GPS-Daten habe ergeben, dass der Kunstflieger gegen keine Gesetze verstoßen habe.
Weitere Kunstflugboxen gibt es übrigens unter anderem bei Thierhaupten und beim Fernsehturm auf dem Stauferberg zwischen Bonstetten und Heretsried. Auch bei letzterer hat es vor einigen Jahren massive Beschwerden gegeben. 2012 wurde schließlich ein Kompromiss mit dem Piloten geschlossen: Er hält eine Mittagsruhe ein, und an kirchlichen Feiertagen finden keine Kunstflüge statt. Der Weldener Bürgermeister Peter Bergmeir betont: „Das war damals ein Entgegenkommen des Piloten.“Mittlerweile sei der Fluglärm bei Weitem nicht mehr so schlimm, Beschwerden habe er keine mehr bekommen.
Martin Köppl von der zuständigen Deutschen Flugsicherung erklärt: Sind alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, können die Behörden eine solche Box nicht verweigern. Sie dürfen aber den Ort festlegen. Dabei achte man darauf, möglichst wenige Leute zu stören. „Ein Experte sieht sich an, wie die Besiedlungsstruktur am Boden aussieht“, sagt Köppl. „Was er damit aber nicht erreichen kann: alle zufriedenzustellen.“
Der Hennhofer Johann Rößle sagt, er sei nicht empfindlich, Landwirte seien hier ja auch unterwegs. Aber von dem Flieger wolle er wenigstens sonntags und mittags nicht gestört werden. „Da darf ich ja auch nicht Rasen mähen oder Gläser in den Container werfen.“(mit jako)