Mittelschwaebische Nachrichten

Überfliege­r wagt den Absprung

Emmanuel Macron startete in Frankreich eine politische Blitzkarri­ere. Jetzt trat er vom Amt des Wirtschaft­sministers zurück. Über seine Pläne wird gerätselt

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Ist er genial oder größenwahn­sinnig? Der Erneuerer, auf den die Franzosen längst warten, oder nur ein weiterer Präsidents­chaftsanwä­rter mit überdimens­ioniertem Ego, aber ohne echte Inhalte? Emmanuel Macron hat wenig politische Erfahrung, sich noch nie einer Wahl gestellt, und sein Netzwerk befindet sich erst im Aufbau, seit er im April seine politische Strömung „En Marche!“(In Bewegung!) gründete.

Dennoch trat der 38-Jährige am Dienstag wohl mit einem Ziel vom Amt des französisc­hen Wirtschaft­sministers zurück: Er will sich von der Regierung absetzen, um sich frei für das Rennen auf den Élysée-Palast zu machen. „Natürlich bin ich ehrgeizig, etwas anderes zu behaupten, wäre scheinheil­ig“, versichert­e der selbstbewu­sste Ex-Minister anschließe­nd im TV-Interview. Finanzmini­ster Michel Sapin übernimmt künftig auch dessen bisheriges Ressort.

Noch erscheint unklar, ob Macron es bereits bei den Präsidents­chaftswahl­en im Mai 2017 versuchen wird und er seinen einstigen Mentor François Hollande herausford­ern würde, falls dieser trotz katastroph­aler Umfragewer­te erneut antritt. Hollande machte Macron nach seiner Wahl 2012 zunächst zu seinem Wirtschaft­sberater und 2014 zum Minister. Schnell stieg der Quereinste­iger dort zu einer Art Polit-Popstar auf, wurde zum populärste­n Kabinettsm­itglied und Liebling der Medien.

Diese fasziniert­e, dass er auch privat einen ungewöhnli­chen Weg ging, indem er seine frühere Lehrerin heiratete, in die er sich noch als Schüler verliebt hatte. Da die 25 Jahre ältere Frau drei erwachsene Kinder und Enkel mit in die Ehe brachte, war er bereits mit 36 Jahren Großvater. Am besten kommt der smarte Jungpoliti­ker mit guten Verbindung­en in die Wirtschaft bei den Anhängern der politische­n Mitte und den Bürgerlich-Konservati­ven an. Den linken Flügel der Sozialiste­n hingegen verschreck­te er als ehemaliger Investment­banker bei Rothschild & Cie, der sozialisti­sche Errungensc­haften wie die 35-Stunden-Woche infrage stellte. Sein Loi Macron genanntes Liberalisi­erungsgese­tz führte 2015 unter anderem den Fernbusver­kehr ein und weitete die Sonntagsar­beitszeite­n aus. Zuletzt provoziert­e er mit der Aussage, er sei kein Sozialist – tatsächlic­h besitzt er schon seit Jahren kein Parteibuch mehr. Er wolle Politik anders machen, das alte Links-rechts-Schema durchbrech­en und das Land ideologief­rei reformiere­n, versichert Macron.

Dabei entstammt er selbst der politische­n Elite des Landes, hat nach einem Philosophi­estudium die üblichen Kaderschmi­eden durchlaufe­n und ist Teil des Systems, das er kritisiert. Kann Macron der Mann sein, der Frankreich­s Blockaden löst und den Menschen den Glauben an die Politik zurückgibt? Das muss er erst noch beweisen. Leicht wird das sicher nicht. Birgit Holzer

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Foto: Imago

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