Mittelschwaebische Nachrichten
Die Generation „Pippi Langstrumpf“will eine Lehrstelle
Heute ist Ausbildungsstart. Was aber ist den jungen Menschen wichtig, um die Betriebe so intensiv werben? Professor Christian Scholz hat über diese „Generation Z“ein Buch geschrieben. Über seine Ergebnisse können sich Ausbilder und Personaler wundern
Pippi-Langstrumpf-Generation nennen Sie, Herr Professor Scholz, die jungen Leute, die nach 1990 geboren wurden. Warum Pippi Langstrumpf? Christian Scholz: Das Bild mag zwar irritieren. Mit dem Bild von Pippi Langstrumpf lässt sich aber vieles, was die Generation Z bewegt, anschaulich erklären. Pippi Langstrumpf sitzt in ihrem Häuschen, der Villa Kunterbunt, genießt ihr Gärtchen mit Zaun drum herum und pflegt die Freundschaft mit wenigen, genau genommen mit zwei Menschen, mit Tommy und Annika – es ist ihre kleine Welt. Und genau so eine kleine, überschaubare, sichere Welt strebt die Generation Z an.
Von einer Lehre scheint diese Generation Z wenig zu halten. Kann man die jungen Leute damit noch locken? Scholz: Wenn man es richtig macht, schon. Dafür muss man aber wissen, wie diese Generation tickt, was ihr wichtig ist. Doch hier herrscht auf Unternehmerseite ein richtiges Vakuum.
Was ist den jungen Leuten wichtig? Scholz: Vieles, was Ausbilder und Arbeitgeber heute fordern, verschreckt die jungen Leute. Ein Beispiel: Die jungen Leute wollen keine flexiblen Arbeitszeiten. Beim Wort „Vertrauensarbeitszeit“bekommen viele Panik, denn sie befürchten hinter diesem schön klingenden Wort brutale Selbstausbeutung. Und damit liegen sie ja, wenn man ehrlich ist, oft auch nicht falsch. Die Generation Z lehnt Überstunden ab. Was sie anstrebt, sind feste Arbeitszeiten und feste Arbeitsstrukturen.
Kann das auch ein Grund sein, warum viele lieber studieren? Denn Studium ist ja oft eine Fortsetzung von Schule mit festen Strukturen und Zeiten. Scholz: Das ist ganz sicher einer der Gründe. Mit einem Studium lässt sich die Zeit noch etwas überbrücken, bevor man in eine Arbeitswelt kommt, die nicht als sehr positiv eingeschätzt wird.
Die jungen Leute wollen also vor allem verlässliche Strukturen im Job? Scholz: Ja, das ist ganz wichtig. Ausbilder sollten nicht nur die Tätigkeit so konkret wie möglich beschreiben und den jungen Leuten zum Beispiel auch exakt sagen, was sie verdienen. Sie sollten sich auch davon verabschieden, den jungen Leuten Karrierechancen im Ausland schmackhaft zu machen – denn das wird selten gewünscht.
Aber es ist doch gut, wenn ich weiß, was ich nach der Lehre alles machen kann. Scholz: Die Mitglieder der Generation Z wollen aber – im Gegensatz übrigens zur vorangegangenen Generation Y – nicht unbedingt Karriere Sie streben oft auch keine Führungspositionen an. Ihnen ist Geld auch nicht so wichtig. Sicherheit, klare Regeln, die strikte Trennung von Beruf und Privatleben, Familie – das sind wichtige Aspekte. Sie achten auf Nachhaltigkeit. Ökologie ist für viele ein Thema. Mobilität, das Arbeiten an verschiedenen Standorten, im extremen Fall rund um den Globus – das wollen viele junge Leute gar nicht.
Woher kommt das? Scholz: Die Jugendlichen sind mit kriegerischen Auseinandersetzungen, mit Terror, aufgewachsen. Internet, Smartphone sind für sie so selbstverständlich wie für ältere Generationen Telefone. Sie sind es gewohnt, sich über alles sofort informieren zu können. Sie wissen, wie gefährlich die Welt ist und suchen Sicherheit. Zudem werden sie von den sogenannten Helikopter-Eltern beschützt, die als Aufpasser über ihnen kreisen.
Und der Arbeitswelt stehen diese Jugendlichen daher skeptischer gegenüber? Scholz: Ja. Sie sind sehr realistisch und glauben oft einfach nicht mehr, was ihnen versprochen wird. So glauben sie zum Beispiel auch nicht an ein Work-Life-Blending. Sie wolmachen. len nicht, dass Beruf und Leben ineinander übergehen, sie wollen eine klare Trennung.
Wenn Sie sagen, die Jugendlichen glauben nicht mehr, was Unternehmer, was Ausbilder sagen. Heißt das, diese Generation hat einen guten Riecher, wenn ihnen etwas vorgemacht wird? Scholz: Genau. Daher können sich Ausbilder den ganzen MarketingZuckerguss, dass etwa bei ihnen der Mitarbeiter im Mittelpunkt steht, dass sie ein super-innovatives Unternehmen, ein prächtiges Team sind, sparen. Wichtiger ist es, den jungen Leuten klarzumachen, dass man ihnen einen sicheren Arbeitsplatz mit genauem Aufgabengebiet und planbaren Arbeitszeiten bietet. Das heißt aber nicht, dass die jungen Leute beispielsweise Nachtschichten generell ablehnen. Wenn sie planbar sind, funktioniert es.
Aber da gibt es doch viele Betriebe, die exakt das bieten können. Das Handwerk zum Beispiel. Hier wird händeringend Nachwuchs gesucht. Warum klappt das dann doch nicht? Scholz: Ich bin auch davon überzeugt, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen oft ideale Bedingungen für die junge Generation bieten. Das Problem ist doch, dass diese Vorzüge nicht offen und klar kommuniziert, also deutlich hervorgehoben werden. Vieles, was aktuell im Trend ist, steht im krassen Gegensatz zu dem, was den jungen Leuten im Leben wichtig ist. Die Wirtschaft orientiert sich viel zu stark an den Zielen und Bedürfnissen speziell der davor liegenden Generation Y. Das wird zu massiven Problemen führen.
Was müssen Ausbilder noch machen, um die Jugend zu überzeugen? Scholz: Wichtig ist es, den Jugendlichen klarzumachen, welche Qualifikationen sie in dieser Ausbildung erwerben, die sie mitnehmen können und was diese ihnen konkret in der Arbeitswelt bringen. Gut zu wissen ist es auch, dass die Generation Z immer gelobt werden will. Auch wenn man diesen Wunsch nicht immer erfüllen muss: Feedback ist der Generation Z ganz wichtig.
Wenn man Ihnen zuhört, bekommt man den Eindruck, dass hier ein bisschen eine spießige Generation nachgekommen ist. In der globalisierten Arbeitswelt scheint sie sich nicht wohlzufühlen. Scholz: Vielleicht wirkt es spießig, wenn man die modernen Errungenschaften nicht schätzt: Viele Konzerne wie etwa Siemens realisieren mit enormen Investitionssummen riesige Büroflächen. Es entstehen Großraumbüros, in denen die Mitarbeiter keinen festen Arbeitsplatz mehr haben. Für die Generation Z ist das ein Graus. Viele junge Leute aus dieser Generation wollen ein kleines Büro mit drei, vier Kollegen und einen festen Arbeitstisch – eine kleine, zweite Villa Kunterbunt, die ihnen gehört und wo sie sich wohlfühlen.
Interview: Daniela Hungbaur
„Die Generation Z lehnt Überstunden ab. Sie strebt feste Arbeitszeiten und Strukturen an.“
Zur Person Professor Christian Scholz ist Autor des Buches „Generation Z – Wie sie tickt, was sie verändert, warum sie uns alle ansteckt“. Der gebürtige Österreicher wurde 1986 als Hochschullehrer an die Universität des Saarlandes nach Saarbrücken berufen. Dort gründete er den ersten Universitätslehrstuhl in Deutschland, der die Bezeichnung „Personalmanagement“im Titel führt. Scholz war Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) und gab über Jahre die Zeitschrift für Personalforschung (ZfP) heraus. Heute ist er auch Direktor des Europa-Instituts der Uni des Saarlandes (EIABM).