Mittelschwaebische Nachrichten
Auf die Erfahrung kommt es an
Seit elf Jahren können junge Menschen in Bayern mit 17 ihren Führerschein machen, wenn sie danach mit einer Begleitperson fahren. Warum die Skepsis über diese Regelung verschwunden ist
Augsburg Stephan Trippel wollte es unbedingt; das, was in Bayern seit elf Jahren möglich ist. Zwei Wochen nach seinem 17. Geburtstag hatte er mit der erfolgreichen Fahrprüfung den Führerschein in der Tasche – und saß dann gleich hinter dem Steuer im Wagen seiner Eltern. Entweder fuhr die Mutter oder der Vater auf dem Beifahrersitz mit. Das „Begleitete Fahren“sei die absolut richtige Entscheidung gewesen sagt Trippel eineinhalb Jahre später im Rückblick. „Mit der Fahrpraxis habe ich an Sicherheit gewonnen“, urteilt der 18-Jährige aus Altenmünster (Kreis Augsburg). Mutter Manuela Itzelsberger sieht es ähnlich. „Es war sinnvoll, ihn ein Jahr lang zu begleiten. Man kann immer Tipps geben. Wir sind bewusst bei sämtlichen Wetterlagen gefahren“, sagt sie. Ohne das auf ein Jahr befristete Projekt hätte es wohl manchen Sonntagsauflug nicht gegeben. Dafür haben die Eltern jetzt ein „gutes Gefühl“, wenn der Sohn allein unterwegs ist. Itzelsberger rät, die Möglichkeit dann auch regelmäßig zu nutzen, den Nachwuchs ans Lenkrad zu lassen. Und: „Nicht um das eigene Auto haben, sondern seinem Kind auch etwas zutrauen.“
Die Befürchtungen, die mit der Einführung des Begleiteten Fahrens verbunden waren, traten nicht ein. Laien als „Ersatzfahrlehrer“– das gefiel nicht jedem. Niedersachsen, das als erstes Bundesland bereits am 1. April 2004 das Begleitete Fahren (BF 17) einführte, musste von Skeptikern viel Kritik einstecken. Unverantwortlich sei so eine Regelung, lautete eines der Argumente. Übrigens: Baden-Württemberg rang sich erst knapp vier Jahre später dazu durch, BF 17 zuzulassen.
Die Kritiker von damals sind lange verstummt. Den verantwortungslosen Vater, der seinen Sohn dazu animieren will, ordentlich das Gaspedal durchzutreten, gab es nur in der Vorstellung. „Während des Begleiteten Fahrens sind nicht mehr Unfälle passiert als während des Fahrschulunterrichts“, sagt Michael Bahr von der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast). Der studierte Soziologe und ausgebildete Fahrlehrer sieht in dem Angebot einen riesigen Fortschritt für die 18- bis 24-Jährigen. Das ist die Altersgruppe der Autofahrer, die das höchste Risiko überhaupt hat, im Straßenverkehr zu verunglücken. Mehr als doppelt so viele junge Leute sterben im Vergleich zum Durchschnitt aller. Bei den Verletzten verhält es sich ähnlich.
Eine messbare Verminderung des Risikos, als Fahranfänger in einen Unfall verwickelt zu werden, hat das Begleitete Fahren laut Bast mit sich gebracht. Im Vergleich zu den Altersgenossen ohne diesen einjährigen „Praxistest“haben 18-Jährige mit entsprechenden Erfahrungen auf den Straßen im ersten Jahr ein Fünftel weniger Unfälle.
Das führt zu Überlegungen, die in einer Arbeitsgruppe auch von einzelnen Interessenverbänden diskutiert und demnächst dem Bundesverkehrsministerium vorgelegt werden: Auf freiwilliger Basis könnte das Begleitete Fahren auch auf die 18-Jährigen ausgedehnt werden. Wer sich dazu verpflichtet, dem könnte gegebenenfalls die Probezeit – aktuell sind das zwei Jahre – verkürzt werden. Die „negative“Variante, die zurzeit allerdings nichts weiter als ein Gedankenspiel ist, sieht folgendermaßen aus: Wer sich im Auto nicht begleiten lassen möchte und auch keinen der AufAngst baukurse belegt, die derzeit konzeptioniert werden, der muss mit einer längeren Probezeit rechnen.
Stephan Trippel betrifft die mögliche Ausweitung des Begleiteten Fahrens nicht mehr. Wenn er jetzt seine Mutter durch die Gegend kutschiert, dann stellt die bei sich ein komplett anderes Verhalten als noch vor einem dreiviertel Jahr fest. „Ganz genau habe ich damals aufgepasst, was er macht und wie er sich verhält. Inzwischen bin ich zu einer eher unaufmerksamen Beifahrerin geworden.“»Kommentar
Am häufigsten sind es die Eltern. Grundsätzlich darf aber jeder den 17 Jahre alten Fahrer begleiten, wenn die Person 30 Jahre oder älter ist, seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen den Führerschein der Klasse B besitzt und nicht mehr als einen Punkt in der Verkehrssünderdatei Flensburg hat.
Begleitpersonen dürfen nicht unter Drogeneinfluss stehen und müssen sich bei Alkohol an die 0,5- Promille-Grenze halten. (AZ)
Wer darf begleiten?