Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Legende kommt wieder ins Kino

Das Original gehört zu den großen Klassikern Hollywoods. Wer sich da heranwagt, sollte wissen, was er tut. Wieso war das bei der Neuauflage nicht der Fall?

- VON MARTIN SCHWICKERT

Wer einen Stoff erneut verfilmt, der zu den großen Klassikern der Kinogeschi­chte gehört und mit elf Oscars ausgezeich­net wurde, sollte wissen, was er tut. Die Rede ist von „Ben Hur“, dem vielleicht bekanntest­en Monumental­film aus dem Jahre 1959 – einer Epoche, in der sich das Kino gegen die herannahen­de Konkurrenz des Fernsehens mit all seiner epischen Kraft aufbäumte. Dreieinhal­b Stunden maß William Wylers Adaption von Lew Wallace’ Roman, der zuvor schon zwei Stummfilme­n (1907/1925) als Vorlage gedient hatte. Das Wagenrenne­n in der Arena ist immer noch eine Kinolegend­e für sich, weil hier im vordigital­en Zeitalter die StuntChore­ografen, genauso wie die Kameraleut­e mit enormer Virtuositä­t und Courage zu Werke gingen, um das Kino in eine Gladiatore­narena zu verwandeln.

Timur Bekmambeto­vs Remake fängt in den Boxen des Amphitheat­ers an, wo die Pferde vor den Streitwage­n schnauben und sich die Konkurrent­en mit Todesdrohu­ngen bevor er zurückspul­t in die unbeschwer­ten Jahre der beiden jungen Männer. Der Auftakt ist ein Bekenntnis zur klassische­n Vorlage und ein Verspreche­n auf halsbreche­rische Action, markiert aber auch einen entscheide­nden Unterschie­d. Wylers Film, der genau wie die Romanvorla­ge mit „A Tale of the Christ“überschrie­ben war, hatte mit der Geburt Jesu in einem Stall in Bethlehem begonnen und verstand sie nicht nur als epische KinoUnterh­altung, sondern auch als spirituell­es Erbauungss­tück.

Dem religiösen Aspekt der Geschichte geht Bekmambeto­v widerwilli­g nach, lässt Jesus, der offensicht­lich viel Zeit im Fitness-Studio und Solarium (und nicht beim Friseur) verbracht hat, nur kurz als sexy Messias und blutenden Märtyrer auftreten, bevor er sich wieder Bruderzwis­t und Actiongetö­se zuwendet. Der jüdische Prinz Judah Ben-Hur (Jack Huston) und der Römer Messala (Toby Kebbell) sind in dieser Version nämlich nicht nur Jugendfreu­nde, sondern auch Adoptivbrü­der. In jungen Jahren galoppiert­en sie auf ihren Pferden Seite an Seite, bis Messala das traute Multikulti-Heim in Jerusalem verließ, um in der römischen Armee Karriere zu machen. Als er an der Seite von Pontius Pilatus zurückkehr­t ins Heilige Land, verübt ein hitzköpfig­er Revoluzzer vom Turm der Hur’schen Residenz ein Attentat auf den römischen Statthalte­r. Messala lässt das Haus stürmen, die Frauen ins Gefängnis und seinen alten Freund als Rudersklav­e auf eine Galeere werfen. Hier kann Bekmambeto­v zeigen, was er drauf hat.

Während das Kriegsschi­ff in die Schlacht zieht und die Sklaven kräftig in die Riemen greifen, verlässt die Kamera nie den Bauch des Schiffes. Der Kampf über Deck mit seinen Brandpfeil­en und Pechgescho­ssen wird aus der Sicht der Sklaven gezeigt. Der Rammbock bohrt sich in den Rumpf, die Wassermass­en dringen ein, das ist gekonnt erzählt.

Gleichzeit­ig ist dies die einzige Szene, in der das Remake eine eigene kreative Qualität entwickelt. Die restliche Zeit sitzt man im Kino mit der zunehmende­n Gewissheit, das alles schon einmal und sehr viel besser gesehen zu haben. Bekmambebe­legen, tov scheitert an der Herausford­erung, den Kinoklassi­ker für das 21. Jahrhunder­t neu zugänglich zu machen. Der Konflikt der beiden Brüder wirkt über weite Strecken nur behauptet und entwickelt keine tragische Tiefe. Die Wandlung BenHurs vom Pazifisten zum Racheengel und wieder zurück zum vergebungs­fähigen Neuchriste­n wirkt in allen Zuständen unglaubwür­dig und die moralische­n Konfliktsz­enarien unterentwi­ckelt.

Aber auch wer über die Seelenlosi­gkeit des eindimensi­onalen 3-D-Remakes hinwegsieh­t, wird sich spätestens durch den Auftritt Morgan Freemans mit grauer RastaPerüc­ke als Pferdetrai­ner Ilderim der Lächerlich­keit der missglückt­en Neuverfilm­ung bewusst. Selbst das Wagenrenne­n, auf das man 100 Kinominute­n nach den Vorspannve­rsprechung­en wartet, bleibt eine Enttäuschu­ng, weil hier die Vorlage zwar an Brutalität, aber keineswegs an Spannung und Dynamik übertroffe­n wird. *

Filmstart in verschiede­nen Kinos der Region

 ?? Foto: Metro-Goldwyn-Mayer Pictures, Paramount Pictures ?? Pilou Asbaek spielt in der Neuverfilm­ung von „Ben Hur“den römischen Statthalte­r Pontius Pilatus. An seiner Seite ist Toby Kebbell, der als Messala erst der Jugendfreu­nd und später der Feind von Judah Ben-Hur ist.
Foto: Metro-Goldwyn-Mayer Pictures, Paramount Pictures Pilou Asbaek spielt in der Neuverfilm­ung von „Ben Hur“den römischen Statthalte­r Pontius Pilatus. An seiner Seite ist Toby Kebbell, der als Messala erst der Jugendfreu­nd und später der Feind von Judah Ben-Hur ist.

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