Mittelschwaebische Nachrichten
Wahre Helden des Sports
Nirgendwo tummeln sich scheinbar so viele Helden wie im Sport. Auf jeden, der eine Erkältung überstanden hat und anschließend eine Medaille gewinnt, stimmt die Sportwelt Hymnen an. Medien und Öffentlichkeit bedienen sich des Heldenbegriffs derart inflationär, dass ihnen im Angesicht eines wahren Helden die Worte ausgegangen sind.
Vera Caslavska war eine Heldin. Nicht, weil sie die beste Turnerin ihrer Zeit war, sondern weil sie sich etwas getraut und etwas riskiert hat. Als Tschechoslowakin hat sie der damaligen Großer-Bruder-Nation Sowjetunion die Huldigung verweigert, sich aus der Komfortzone der tschechischen Turngöttin herausbewegt und ihre Karriere für Freiheit und Gerechtigkeit geopfert.
Selten hat der Sport, in dessen Namen häufig genug Manipulation, Gewalt und Betrug stattfinden, eine derart wunderbare Bühne abgegeben wie bei den Olympischen Spielen 1968, als Vera Caslavska zur Hymne der sowjetischen Unterdrücker den Kopf senkte.
Nun ist die Heldin tot (siehe dazu den Artikel auf der nächsten Sportseite). Die Bühne aber bleibt. Sie von gesellschaftlichen und politischen Aufführungen frei zu halten, ist seit jeher ein berechtigtes Anliegen des Sports.
Zu oft schon hat der Sport erleben müssen, wie er am Nasenring diktatorischer Regime durch die Arenen geführt wurde. Das war nicht nur 1936 in Berlin, 1978 in Argentinien oder 2008 in Peking so. Bei so viel Missbrauch des Sports auf öffentlicher Bühne ist es nur gerechtfertigt, wenn gelegentlich ein Held auftritt und im Dienste von Freiheit und Gerechtigkeit die gestanzte Formation verlässt. So wie Vera Caslavska oder der US-Footballer Colin Kaepernick.
Der Quarterback der San Francisco 49ers blieb sitzen, als die amerikanische Hymne gespielt wurde. „Ich werde nicht aufstehen und zeigen, dass ich stolz auf die Flagge eines Landes bin, das schwarze Menschen unterdrückt“, sagte Kaepernick, ein tiefgläubiger Christ. Wer weiß, was Flagge und Hymne vor allem dem weißen Amerika bedeuten, ahnt, was nun auf den Football-Spieler niederprasselt. Donald Trump hat Kaepernick empfohlen, das Land zu verlassen. Kaepernick bleibt und macht weiter. Der Held bleibt.