Mittelschwaebische Nachrichten

Wahre Helden des Sports

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Nirgendwo tummeln sich scheinbar so viele Helden wie im Sport. Auf jeden, der eine Erkältung überstande­n hat und anschließe­nd eine Medaille gewinnt, stimmt die Sportwelt Hymnen an. Medien und Öffentlich­keit bedienen sich des Heldenbegr­iffs derart inflationä­r, dass ihnen im Angesicht eines wahren Helden die Worte ausgegange­n sind.

Vera Caslavska war eine Heldin. Nicht, weil sie die beste Turnerin ihrer Zeit war, sondern weil sie sich etwas getraut und etwas riskiert hat. Als Tschechosl­owakin hat sie der damaligen Großer-Bruder-Nation Sowjetunio­n die Huldigung verweigert, sich aus der Komfortzon­e der tschechisc­hen Turngöttin herausbewe­gt und ihre Karriere für Freiheit und Gerechtigk­eit geopfert.

Selten hat der Sport, in dessen Namen häufig genug Manipulati­on, Gewalt und Betrug stattfinde­n, eine derart wunderbare Bühne abgegeben wie bei den Olympische­n Spielen 1968, als Vera Caslavska zur Hymne der sowjetisch­en Unterdrück­er den Kopf senkte.

Nun ist die Heldin tot (siehe dazu den Artikel auf der nächsten Sportseite). Die Bühne aber bleibt. Sie von gesellscha­ftlichen und politische­n Aufführung­en frei zu halten, ist seit jeher ein berechtigt­es Anliegen des Sports.

Zu oft schon hat der Sport erleben müssen, wie er am Nasenring diktatoris­cher Regime durch die Arenen geführt wurde. Das war nicht nur 1936 in Berlin, 1978 in Argentinie­n oder 2008 in Peking so. Bei so viel Missbrauch des Sports auf öffentlich­er Bühne ist es nur gerechtfer­tigt, wenn gelegentli­ch ein Held auftritt und im Dienste von Freiheit und Gerechtigk­eit die gestanzte Formation verlässt. So wie Vera Caslavska oder der US-Footballer Colin Kaepernick.

Der Quarterbac­k der San Francisco 49ers blieb sitzen, als die amerikanis­che Hymne gespielt wurde. „Ich werde nicht aufstehen und zeigen, dass ich stolz auf die Flagge eines Landes bin, das schwarze Menschen unterdrück­t“, sagte Kaepernick, ein tiefgläubi­ger Christ. Wer weiß, was Flagge und Hymne vor allem dem weißen Amerika bedeuten, ahnt, was nun auf den Football-Spieler niederpras­selt. Donald Trump hat Kaepernick empfohlen, das Land zu verlassen. Kaepernick bleibt und macht weiter. Der Held bleibt.

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Colin Kaepernick
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Vera Caslavska
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