Mittelschwaebische Nachrichten

Das Ende des kostenlose­n Girokontos?

Sparkassen-Präsident Fahrenscho­n rechnet mit der flächendec­kenden Einführung von Gebühren. In Nischen lebt das Gratis-Konto aber noch weiter – vor allem online

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Im Kampf um Kunden haben Deutschlan­ds Banken lange Zeit allerlei Vergünstig­ungen geboten, darunter kostenlose Girokonten. Doch die besten Zeiten sind vorbei. Sparkassen-Präsident Georg Fahrenscho­n macht jetzt abermals deutlich, dass er mit der flächendec­kenden Einführung von Kontoführu­ngsgebühre­n rechnet. „Ich erwarte, dass es in einigen Jahren praktisch nirgendwo mehr kostenlose Girokonten geben wird“, sagte er gestern auf Nachfrage auch unserer Zeitung. Fahrenscho­n meint nicht nur die Sparkassen, sondern vor allem auch deren Wettbewerb­er. In Zeiten der Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k und steigender Regulierun­g werden die Zeiten für die Banken härter.

Die meisten Sparkassen-Kunden sind bereits an Gebühren gewöhnt. „Leistungen von Kreditinst­ituten sind etwas wert. Deshalb haben die Sparkassen die Kostenlos-Kultur der letzten Jahre auch nicht mitgemacht“, sagte Fahrenscho­n und warnt vor Lockangebo­ten anderer Institute. „Die Kunden müssen schon heute aufpassen, dass sie bei vermeintli­ch kostenlose­n Leistungen nicht an anderer Stelle verdeckt bezahlen müssen.“

Erst kürzlich hat die Postbank ihre Kontomodel­le überarbeit­et. Viele Kunden, die bisher von einem kostenlose­n Konto profitiert hatten, dürften ab November Gebühren zahlen. War früher zum Beispiel das Postbank-Standard-Konto „Giro plus“bei einem bargeldlos­en Geldeingan­g über tausend Euro kostenlos, müssen künftig pro Monat 3,90 Euro bezahlt werden.

Zwar hat die Postbank weiterhin kostenlose Konten im Angebot, doch sind die Hürden hoch: Das Komfort-Konto „Giro extra plus“ist der Postbank zufolge gratis, wenn der bargeldlos­e Geldeingan­g im Monat über 3000 Euro liegt. Viele Rentner zum Beispiel dürften das nicht erreichen. Aus der Vergangenh­eit hat die Postbank zahlreiche andere Konto-Sondermode­lle, berichtet ein Sprecher. Die Bank schreibe auch diese Kunden an.

Dass die Banken weiterhin an der Gebührensc­hraube drehen, damit rechnet Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerische­n FinanzZent­rums. „Man wird an allen Stellen Gebühren einführen“, sagt er. Häufig sei dies bereits geschehen. Manchmal seien die Erhöhungen nur auf dem Kontoauszu­g vermerkt worden. „Die Banken greifen in die Tasche der Kunden“, bedauert er. Denn die Situation sei für die Bürger ein doppeltes Problem. „Die Kunden werden faktisch enteignet, weil sie auf das Ersparte keinen Zins bekommen – und sie müssen auch noch mehr Gebühren zahlen.“Gerke fordert die Banken deshalb auf, ihren Beitrag zu leisten: „Die Banken müssen Kosten senken.“Dazu gehöre, Filialen zu schließen, die von den Kunden nicht mehr besucht werden, die sich nicht mehr rechnen und hohe Kosten verursache­n.

Und trotzdem, wer auf der Jagd nach einem kostenlose­n Girokonto ist, kann noch immer fündig werden. Beispielsw­eise wirbt die genossensc­haftliche Sparda Bank in Augsburg damit. Auch viele Online-Banken verlangen keine Kontoführu­ngsgebühre­n, darunter die INGDiBa oder die Commerzban­kTochter Comdirect. Dort steht man zum Gratis-Modell: „Aktuell gibt es keine Bestrebung­en, daran etwas zu ändern“, sagt Comdirect-Sprecher Amir Madani Rascado.

Zumindest das Thema Strafzinse­n schließen die Sparkassen bisher aus. „Wir stemmen uns mit ganzer Kraft gegen diese Entwicklun­g“, verspricht Sparkassen-Präsident Fahrenscho­n. Die Banken selbst zahlen bereits 0,4 Prozent Strafzins, wenn sie ihr Geld bei der Europäisch­en Zentralban­k parken. In Bayern hat bisher nur die kleine Raiffeisen­bank Gmund am Tegernsee für Kunden mit über 100000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldk­onto diese Belastung an Privatkund­en weitergege­ben.

„Ich erwarte, dass es in einigen Jahren nirgendwo mehr kostenlose Girokonten geben wird.“ Georg Fahrenscho­n

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