Mittelschwaebische Nachrichten
Das Ende des kostenlosen Girokontos?
Sparkassen-Präsident Fahrenschon rechnet mit der flächendeckenden Einführung von Gebühren. In Nischen lebt das Gratis-Konto aber noch weiter – vor allem online
Augsburg Im Kampf um Kunden haben Deutschlands Banken lange Zeit allerlei Vergünstigungen geboten, darunter kostenlose Girokonten. Doch die besten Zeiten sind vorbei. Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon macht jetzt abermals deutlich, dass er mit der flächendeckenden Einführung von Kontoführungsgebühren rechnet. „Ich erwarte, dass es in einigen Jahren praktisch nirgendwo mehr kostenlose Girokonten geben wird“, sagte er gestern auf Nachfrage auch unserer Zeitung. Fahrenschon meint nicht nur die Sparkassen, sondern vor allem auch deren Wettbewerber. In Zeiten der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und steigender Regulierung werden die Zeiten für die Banken härter.
Die meisten Sparkassen-Kunden sind bereits an Gebühren gewöhnt. „Leistungen von Kreditinstituten sind etwas wert. Deshalb haben die Sparkassen die Kostenlos-Kultur der letzten Jahre auch nicht mitgemacht“, sagte Fahrenschon und warnt vor Lockangeboten anderer Institute. „Die Kunden müssen schon heute aufpassen, dass sie bei vermeintlich kostenlosen Leistungen nicht an anderer Stelle verdeckt bezahlen müssen.“
Erst kürzlich hat die Postbank ihre Kontomodelle überarbeitet. Viele Kunden, die bisher von einem kostenlosen Konto profitiert hatten, dürften ab November Gebühren zahlen. War früher zum Beispiel das Postbank-Standard-Konto „Giro plus“bei einem bargeldlosen Geldeingang über tausend Euro kostenlos, müssen künftig pro Monat 3,90 Euro bezahlt werden.
Zwar hat die Postbank weiterhin kostenlose Konten im Angebot, doch sind die Hürden hoch: Das Komfort-Konto „Giro extra plus“ist der Postbank zufolge gratis, wenn der bargeldlose Geldeingang im Monat über 3000 Euro liegt. Viele Rentner zum Beispiel dürften das nicht erreichen. Aus der Vergangenheit hat die Postbank zahlreiche andere Konto-Sondermodelle, berichtet ein Sprecher. Die Bank schreibe auch diese Kunden an.
Dass die Banken weiterhin an der Gebührenschraube drehen, damit rechnet Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen FinanzZentrums. „Man wird an allen Stellen Gebühren einführen“, sagt er. Häufig sei dies bereits geschehen. Manchmal seien die Erhöhungen nur auf dem Kontoauszug vermerkt worden. „Die Banken greifen in die Tasche der Kunden“, bedauert er. Denn die Situation sei für die Bürger ein doppeltes Problem. „Die Kunden werden faktisch enteignet, weil sie auf das Ersparte keinen Zins bekommen – und sie müssen auch noch mehr Gebühren zahlen.“Gerke fordert die Banken deshalb auf, ihren Beitrag zu leisten: „Die Banken müssen Kosten senken.“Dazu gehöre, Filialen zu schließen, die von den Kunden nicht mehr besucht werden, die sich nicht mehr rechnen und hohe Kosten verursachen.
Und trotzdem, wer auf der Jagd nach einem kostenlosen Girokonto ist, kann noch immer fündig werden. Beispielsweise wirbt die genossenschaftliche Sparda Bank in Augsburg damit. Auch viele Online-Banken verlangen keine Kontoführungsgebühren, darunter die INGDiBa oder die CommerzbankTochter Comdirect. Dort steht man zum Gratis-Modell: „Aktuell gibt es keine Bestrebungen, daran etwas zu ändern“, sagt Comdirect-Sprecher Amir Madani Rascado.
Zumindest das Thema Strafzinsen schließen die Sparkassen bisher aus. „Wir stemmen uns mit ganzer Kraft gegen diese Entwicklung“, verspricht Sparkassen-Präsident Fahrenschon. Die Banken selbst zahlen bereits 0,4 Prozent Strafzins, wenn sie ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank parken. In Bayern hat bisher nur die kleine Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee für Kunden mit über 100000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto diese Belastung an Privatkunden weitergegeben.
„Ich erwarte, dass es in einigen Jahren nirgendwo mehr kostenlose Girokonten geben wird.“ Georg Fahrenschon