Mittelschwaebische Nachrichten

Von der Leyen schießt daneben

Die Waffenschm­iede Heckler & Koch kämpft um ihren Ruf – und gewinnt. Das Gewehr G 36 habe das gehalten, was vertraglic­h vereinbart war, urteilt ein Gericht

-

Koblenz/Berlin Was ist los mit der Standardwa­ffe der Bundeswehr? Ist das G 36 ein Pannengewe­hr, das bei Erhitzung schief schießt und deswegen nicht für den Einsatz taugt? Oder ist es eine zuverlässi­ge Waffe, die bei Soldaten der Bundeswehr und vieler anderer Streitkräf­te gleicherma­ßen beliebt ist? Eine eindeutige Antwort darauf wird es wohl nie geben. Auch das Urteil des Landgerich­ts Koblenz, das Richter Ralph Volckmann am Freitag in nur einer Minute verkündet, klärt diese Frage nicht abschließe­nd.

Es beschert dem Hersteller Heckler & Koch aber einen wichtigen Sieg im Kampf um seinen Ruf als einer der weltweit führenden Hersteller von Handfeuerw­affen. Für Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) ist es dagegen eine Schlappe bei ihrer Mission, im Rüstungsse­ktor aufzuräume­n. Das Gericht weist alle Schadeners­atzansprüc­he des Ministeriu­ms zurück und stellt fest, dass das Gewehr gemessen an den vertraglic­h vereinbart­en Anforderun­gen keine Mängel aufweist. Im Klartext: Das Unternehme­n aus dem baden-württember­gischen Oberndorf am Neckar hat geliefert, was bestellt worden ist. Die Bundeswehr hat versäumt, das Gewehr nachrüsten zu lassen, als es nötig gewesen wäre.

Der richtige Zeitpunkt dafür wären die ersten Einsätze des Gewehrs unter Extrembedi­ngungen in Gefechten in Afghanista­n gewesen. Das sagte auch Richter Volckmann schon im Juni in der ersten Verhandlun­g mit klaren Worten: Es könne nicht sein, dass sich die Bundeswehr mit „untauglich­en Waffen“etwa in Afghanista­n der Angriffe der Taliban erwehren müsse, wenn mit einer Nachrüstun­g die Treffgenau­igkeit verbessert werden könnte. In Afghanista­n ging es für die Soldaten um Leben und Tod.

Als sie 2013 ins Amt kommt, gibt sie ein ultimative­s Gutachten in Auftrag, um ein für alle Mal zu klären, ob das Gewehr für die Bundeswehr geeignet ist. Die Untersuchu­ng kommt zu ebenso eindeutige­n wie schockiere­nden Ergebnisse­n: Bei einer Temperatur­veränderun­g um 30 Grad sinkt in Labortests die Trefferquo­te im Extremfall auf nur sieben Prozent. Gefordert wer- den von der Bundeswehr 90 Prozent. Seltsam nur, dass bis heute kaum ein Soldat zu finden ist, der das G 36 für eine schlechte Waffe hält. Im Gegenteil: Eine Befragung von 200 einsatzerf­ahrenen Soldaten, die von der Leyen selbst in Auftrag gegeben hat, zeigte, wie beliebt die Waffe ist. Und wie ist dieser Widerspruc­h zwischen der Wahrnehmun­g der Soldaten und den Laborergeb­nissen nun zu erklären? Entweder die Tests sind realitätsf­remd konzipiert, die Standards für die Treffsiche­rheit sind zu ambitionie­rt, oder die Soldaten bemerken nicht so richtig, dass sie schief schießen.

Noch in diesem Jahr soll der Auftrag ausgeschri­eben werden. Heckler & Koch wird sich sicher beteiligen und könnte am Ende dann sogar noch von der Ausmusteru­ng des G36 profitiere­n – wenn das Unternehme­n erneut den Zuschlag bekommt.

Michael Fischer, Jens Albes, dpa

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa/Archiv ?? Weg mit dem Schießprüg­el? Von wegen: Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) hat eine juristisch­e Schlappe erlitten: Das G36 erfüllt alle vertraglic­hen Anforderun­gen, urteilte jetzt das Landgerich­t Koblenz.
Foto: Sven Hoppe, dpa/Archiv Weg mit dem Schießprüg­el? Von wegen: Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) hat eine juristisch­e Schlappe erlitten: Das G36 erfüllt alle vertraglic­hen Anforderun­gen, urteilte jetzt das Landgerich­t Koblenz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany