Mittelschwaebische Nachrichten
„Super beinand“
Merkwürdige Fitnessbeweise, skurrile Heimatliebe und ein Drogentest: Bei der Wiederholung des Wahlkrimis um das österreichische Präsidenten-Amt kämpfen die Parteien mit ungewöhnlichen Methoden. Das Rennen wird knapp
Wien Der Krebsspezialist Christoph Zielinski zeigt sich geradezu begeistert über das Atemorgan seines 72-jährigen Patienten: „Er hat wirklich eine herrliche Lunge“, sagt der Arzt über den österreichischen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen. „Er ist super beinand“, formuliert der MedizinProfessor überschwänglich seine Diagnose. Und für alle, die dem bestellten Mediziner nicht glauben wollen, legte Van der Bellen nach amerikanischer Manier vergangene Woche der österreichischen Nachrichtenagentur APA noch die Befunde der in der Wiener Uni-Klinik erfolgten Untersuchung vor.
In einem Monat müssen die Österreicher bereits zum dritten Mal dieses Jahr ihren neuen Bundespräsidenten wählen. Im ersten Wahlgang verfehlten alle Kandidaten die absolute Mehrheit. Die zweite Runde gewann Van der Bellen knapp gegen den Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer. Doch das österreichische Verfassungsgericht erklärte die Abstimmung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl für ungültig.
Van der Bellens GesundheitsCheck hat einen ernsten Hintergrund – einen versuchten Rufmord im Internet. Über die deutsche, von vielen als rechtsextrem eingestufte Seite „Politically Incorrect“wurde verbreitet, dass bei einem Wiener Bezirksgericht für Van der Bellen wegen „Demenz“und „Krebs“eine Vormundschaft beantragt worden sei. Die bösartige Lüge verbreitete sich über Facebook unter hunderttausenden Österreichern. Am Ende sah sich die Wahlkampfleitung des Rauchers und früheren GrünenChefs gezwungen, mit den medizi- nischen Befunden des 72-Jährigen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Und auch FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hielt es für nötig, seine mentale Fitness unter Beweis zu stellen: Der 45-Jährige wurde 2003 bei einem Paragleiter-Unfall schwer verletzt. Wegen einer teilweisen Querschnittslähmung geht er am Stock. Vor einer Woche lud Hofer Journalisten nun zur Ballonfahrt über die steirische Landschaft – und über jene Stelle in der Nähe des Stubenbergsees, wo er vor 13 Jahren abgestürzt war. Zudem kündigte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache für sich selbst einen notariell überwachten Drogentest an, um Gerüchte gegen ihn zu entkräften.
Umfragen sagen Straches FPÖKandidat Hofer derzeit einen leichten Vorsprung für die Wahl am 2. Oktober voraus. Van der Bellen, der bei der ersten Stichwahl noch mit 30 000 vorne lag, wird von zahlreichen Prominenten unterstützt.
Die konservative ÖVP will keine Wahlempfehlung abgeben. Prominente Mitglieder haben sich jedoch für den Grünen ausgesprochen, andere sind stillschweigend für Hofer. Auch die Sozialdemokraten sind gespalten. Im Burgenland, das von einer Koalition aus SPÖ und FPÖ regiert wird, gibt die Partei keine Wahlempfehlung ab. Im rot-grünen Wien dagegen wird SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl auf 1400 Plakaten für Van der Bellen werben.
Hofer versucht im Wahlkampf nun deutlich gemäßigtere Töne anzuschlagen, um keine Wähler abzuschrecken. Van der Bellen bemüht sich wiederum fast übertrieben, Heimatliebe zu beweisen: In seinem Wahlvideo spricht der Professor nun so stark Tirolerisch, dass Untertitel eingeblendet werden müssen. Spender steckten eine Million Euro in den Wahlkampf des Ex-Grünen.
Das Innenministerium hat zahlreiche Konsequenzen aus dem Urteil des Verfassungsgerichts gezogen, um frühere Fehler und eine neuerliche Anfechtung zu vermeiden. So dürfen die Stimmberechtigten die Wahlzettel nicht mal mehr selbst in die Urne werfen. Das übernimmt der Wahlleiter. Journalisten und Fotografen sind im Wahllokal gar nicht mehr erlaubt.