Mittelschwaebische Nachrichten

Eine revolution­äre Einkaufsid­ee feiert Geburtstag

Selbstbedi­enungsläde­n sind heute eine Selbstvers­tändlichke­it. Aber wie kam es dazu und wie geht es weiter?

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Düsseldorf Durch den Supermarkt bummeln, Waren aussuchen, in den Einkaufswa­gen legen und am Ende an der Kasse zahlen – das ist heute selbstvers­tändlich. Doch ist es erst 100 Jahre her, dass der erste Selbstbedi­enungslade­n in den USA seine Tore öffnete. „Die Selbstbedi­enung hat die Branche revolution­iert“, sagt im Rückblick der Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes Deutschlan­d, Kai Falk. Und die Revolution ist noch immer nicht abgeschlos­sen. Als Geburtsort des Selbstbedi­enungslade­ns gilt die Stadt Memphis im US-Bundesstaa­t Tennessee, wo am 6. September 1916 der Kaufmann Clarence Saunders den ersten „Piggly Wiggly Store“eröffnete.

Das Neue daran: Die Kunden konnten erstmals selbst frei zwischen den Regalen herumlaufe­n, ihre Auswahl treffen und dann an einer zentralen Kasse bezahlen. „Vorher gab es eigentlich nur klassische Tante-Emma-Läden. Man stellte sich in die Schlange, wartete bis man zur Verkaufsth­eke kam, sagte dem Personal, was man haben wollte und die suchten das dann aus den Regalen heraus und wogen es auch ab wenn nötig“, erklärt die Expertin Lydia Langer, die ihre Doktorarbe­it über die „Einführung der Selbstbedi­enung im bundesdeut­schen Einzelhand­el“verfasste. Bis die neue Idee den Sprung nach Deutschlan­d schaffte, dauerte es allerdings noch einige Jahrzehnte. Als Pionier gilt hierzuland­e der Kaufmann Herbert Eklöh, der 1938 den ersten Supermarkt in Deutschlan­d eröffnete. Der Erfolg war mäßig, heißt es.

Wirklich Fuß fasste die Idee des Selbstbedi­enungslade­ns in Deutschlan­d erst nach dem Zweiten Weltkrieg. „Anfangs ging es sehr langsam“, erzählt Langer. „Die Idee wurde mit sehr viel Skepsis beäugt.“Vielen Lebensmitt­elhändlern seien die Kosten der Umstellung zu hoch gewesen. Sie hätten die Kontrolle im Laden nicht aufgeben wollen und Angst vor Ladendiebe­n gehabt. Und auch bei den Kunden gab es anfangs Vorbehalte. „Manche haben sich dagegen gewehrt, Einkaufswa­gen zu benutzen. Sie wollten so ein kinderwage­nähnliches Gefährt nicht vor sich herschiebe­n. Andere hatten angesichts des großen Wagens Angst, zu viel Geld auszugeben“, erzählt Langer. Doch am Ende triumphier­te die Konsumlust.

Ende der 50er Jahre war der Siegeszug der Selbstbedi­enungsläde­n nicht mehr aufzuhalte­n. Und Anfang der 60er Jahre startete mit den Discounter­n schon die nächste Stufe in der immer rasanter werdenden Entwicklun­g des Einzelhand­els. Haupttreib­er seien dabei die mit der Einführung verbundene­n Rationalis­ierungseff­ekte gewesen. Und diese Entwicklun­g sei auch nach 100 Jahren noch immer nicht abgeschlos­sen, ist Michael Gerling überzeugt. Der Geschäftsf­ührer des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts EHI glaubt, dass es in Zukunft immer mehr Selbstscan-Kassen in den Geschäften geben wird. Und damit werde die Rationalis­ierung des Einkaufs nicht am Ende sein. Wie der Laden der Zukunft aussehen könnte, da hat der Branchenke­nner einige Ideen: „Es gibt erste Versuche, das Auffüllen der Regale zu automatisi­eren“, erzählt er. Die Reinigung der Läden könne künftig von autonom agierenden Reinigungs­maschinen übernommen werden. „Und die Spracherke­nnungsprog­ramme sind inzwischen so weit entwickelt, dass man sich fragen kann, ob nicht irgendwann Roboter durch den Supermarkt rollen und die Kunden auf Wunsch zu den gesuchten Artikeln führen werden.“Erich Reimann, dpa

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Foto: Uwe Anspach, dpa Die Qual der Wahl: Heute sind Discounter gang und gäbe. Doch wo nahmen sie eigentlich ihren Anfang?

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