Mittelschwaebische Nachrichten

Die Wahrheit liegt im Video

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Es läuft zurzeit wirklich nicht gut für den Fußball-Weltverban­d Fifa. Es sind ja nicht mehr viele Gelegenhei­ten, die der Fifa noch Anlass zum Feiern bieten. Gibt es dann doch mal einen Grund dafür, grätscht ihr das Schicksal gemein dazwischen. Hätten am Donnerstag nicht Abgesandte der Schweizer Bundesanwa­ltschaft im Zuge der WM-Vergabe 2006 bei ehemaligen Verbandsfu­nktionären an den Haustüren geklopft, die Schlagzeil­en hätten einer echten Weltpremie­re gegolten.

Schließlic­h hatte sich nichts weniger ereignet, als der weltweit erste gelungene Einsatz des Videobewei­ses in einem internatio­nalen Testspiel. Die Aufregung versteht nur, wer die Geschichte des Videobewei­ses kennt. Von Anfang an hat er die Fans geteilt, so wie jeder technische Fortschrit­t die Menschen in Verweigere­r und Anhänger trennt. Während die einen auf Mähroboter und Thermomix schwören, arbeiten andere noch mit Sense und Bratpfanne. Weil sich im Fußball mehr Leidenscha­ft als in Garten und Küche zusammen versammelt, liefen Diskussion über den Video-Schiedsric­hter eher über das Herz als über den Verstand.

Dass andere Sportarten den technische­n Hilfen aufgeschlo­ssener waren, hat die traditione­ll bewahrende Fußball-Gemeinde nicht einmal ignoriert. Sie ist stolz auf die alten Regeln und misstraut allem Neuen. Im Zentrum stand die Sorge, der Fußball könne durch die Technik seinen Charakter verlieren, weshalb die Funktionär­e die Reihen gegen das Teufelszeu­g lange Zeit dicht geschlosse­n hielten. Der Dumme war der Schiedsric­hter, dessen Versagen die TV-Kameras dem notorisch selbstgere­chten Publikum in Endlosschl­eifen vorführen.

Nun also die Probe aufs Exempel. Italien – Frankreich. Handspiel im Strafraum? Elfmeter oder nichts? Der Schiedsric­hter, der die Frage nicht beantworte­n kann, lässt sie vom Videoassis­tenten beantworte­n. Nichts! Und das Spiel läuft weiter. Kein Spalt, der sich öffnet, den Ball verschluck­t, den Fußball untergehen lässt. Nichts!

Die Akteure, die Augenblick­e zuvor noch den Unparteiis­chen umrudelt haben, verlieren schlagarti­g die Lust, ihm an den Kragen zu gehen. Kann ja nichts dafür, der Gute. Der Böse, der außerhalb des Stadions vor dem Video sitzt, ist für die Spieler nicht zu erreichen. Der Ärger verraucht. Alles richtig gemacht. Dazu gehört auch, dass sich der Fußball noch immer Zeit lässt, ehe die Technik flächendec­kend ins Spiel kommt, dass sie überhaupt nur in spielentsc­heidenden Szenen gefragt ist. Die Bundesliga testet wenigstens diese und die nächste Spielzeit. Schon jetzt ist klar: Das Videoauge sieht nicht alles. Auch danach wird es noch Fehlentsch­eidungen geben – aber weniger. Dafür könnte man die Fifa loben.

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Foto: imago Tor oder kein Tor? Das Video liefert den Beweis.
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