Mittelschwaebische Nachrichten
Die Wahrheit liegt im Video
Es läuft zurzeit wirklich nicht gut für den Fußball-Weltverband Fifa. Es sind ja nicht mehr viele Gelegenheiten, die der Fifa noch Anlass zum Feiern bieten. Gibt es dann doch mal einen Grund dafür, grätscht ihr das Schicksal gemein dazwischen. Hätten am Donnerstag nicht Abgesandte der Schweizer Bundesanwaltschaft im Zuge der WM-Vergabe 2006 bei ehemaligen Verbandsfunktionären an den Haustüren geklopft, die Schlagzeilen hätten einer echten Weltpremiere gegolten.
Schließlich hatte sich nichts weniger ereignet, als der weltweit erste gelungene Einsatz des Videobeweises in einem internationalen Testspiel. Die Aufregung versteht nur, wer die Geschichte des Videobeweises kennt. Von Anfang an hat er die Fans geteilt, so wie jeder technische Fortschritt die Menschen in Verweigerer und Anhänger trennt. Während die einen auf Mähroboter und Thermomix schwören, arbeiten andere noch mit Sense und Bratpfanne. Weil sich im Fußball mehr Leidenschaft als in Garten und Küche zusammen versammelt, liefen Diskussion über den Video-Schiedsrichter eher über das Herz als über den Verstand.
Dass andere Sportarten den technischen Hilfen aufgeschlossener waren, hat die traditionell bewahrende Fußball-Gemeinde nicht einmal ignoriert. Sie ist stolz auf die alten Regeln und misstraut allem Neuen. Im Zentrum stand die Sorge, der Fußball könne durch die Technik seinen Charakter verlieren, weshalb die Funktionäre die Reihen gegen das Teufelszeug lange Zeit dicht geschlossen hielten. Der Dumme war der Schiedsrichter, dessen Versagen die TV-Kameras dem notorisch selbstgerechten Publikum in Endlosschleifen vorführen.
Nun also die Probe aufs Exempel. Italien – Frankreich. Handspiel im Strafraum? Elfmeter oder nichts? Der Schiedsrichter, der die Frage nicht beantworten kann, lässt sie vom Videoassistenten beantworten. Nichts! Und das Spiel läuft weiter. Kein Spalt, der sich öffnet, den Ball verschluckt, den Fußball untergehen lässt. Nichts!
Die Akteure, die Augenblicke zuvor noch den Unparteiischen umrudelt haben, verlieren schlagartig die Lust, ihm an den Kragen zu gehen. Kann ja nichts dafür, der Gute. Der Böse, der außerhalb des Stadions vor dem Video sitzt, ist für die Spieler nicht zu erreichen. Der Ärger verraucht. Alles richtig gemacht. Dazu gehört auch, dass sich der Fußball noch immer Zeit lässt, ehe die Technik flächendeckend ins Spiel kommt, dass sie überhaupt nur in spielentscheidenden Szenen gefragt ist. Die Bundesliga testet wenigstens diese und die nächste Spielzeit. Schon jetzt ist klar: Das Videoauge sieht nicht alles. Auch danach wird es noch Fehlentscheidungen geben – aber weniger. Dafür könnte man die Fifa loben.