Mittelschwaebische Nachrichten

Zeit, um zu denken

- VON DIÖZESANPR­ÄSES DIAKON ERWIN HELMER, AUGSBURG

Gerade der Sommer beschenkt die meisten von uns mit freier Zeit. Zeit, um zu denken oder auch: Zeit umzudenken. Endlich mal wieder raus aus dem Korsett der Zeitmaschi­nerie, keine Arbeit, keine Schule, keine Prüfungen, kein ständiges Hetzen, kein Funktionie­ren und – hoffentlic­h viel Zeit für alles.

Für uns eröffnet das die Chance, unser Leben neu zu sehen. Einen kritischen Blick auf mein Leben, auf mein Verhalten zu richten. Vielleicht sogar die Empfehlung von Papst Franziskus anzunehmen, im Jahr der Barmherzig­keit zum Beichten zu gehen, die heiligen Pforten zu durchschre­iten, ein neuer Mensch zu werden. Ja, irgendwie die Möglichkei­t zu erkennen: Es muss jetzt alles anders werden! Ich lebe nicht, ich werde gelebt, ich will frei sein, Mensch sein, Sinn erfahren. Ja, dann gewinnt jede Zeit ihren Sinn und jede Stunde ihre Bedeutung.

In Anlehnung an den biblischen Prediger Kohelet (Kapitel 3, 1-8) möchte ich es so formuliere­n: „Alles hat seine Stunde. Alles hat seine Zeit.“Eine Zeit der Arbeit und eine Zeit der Entspannun­g und Ruhe. Eine Zeit, die Lehre zu beginnen, und eine Zeit, sie abzuschlie­ßen. Eine Zeit, Überstunde­n zu machen, und eine Zeit, sie abzufeiern. Eine Zeit für die Freude und eine Zeit für Schmerz und Leid. Eine Zeit der Selbstkrit­ik und eine Zeit der Sozialkrit­ik, eine Zeit für das Gute zu kämpfen; eine Zeit zu beten. Eine Zeit der Konflikte und eine Zeit, sie zu lösen. Eine Zeit zum Denken und eine Zeit umzudenken. Eine Zeit für den Streit und eine Zeit für den Frieden. Eine Zeit im Dienst am Menschen und eine Zeit für Gott.

Zeit ist Geld, sagen viele. Aber sie irren sich. Denn Zeit ist viel mehr, unendlich viel mehr als Geld. Denn, Zeit ist leben. Zeit ist lieben. Zeit ist Entscheidu­ngszeit für das Gute oder für das Böse. Ich hoffe und setze auf mehr Zeit für das Gute, Zeit für Flüchtling­e, Zeit für Solidaritä­t, Zeit für Barmherzig­keit und Mitgefühl.

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