Mittelschwaebische Nachrichten
Schaffe wir das?
Titel-Thema Vor genau einem Jahr entschied Kanzlerin Angerkel, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen. Zwölf Monate später fällt die Bilanz gemischt aus: Zwar ging der Zustzurück, doch viele Probleme sind nach wie vor ungelöst
Augsburg Die Nacht auf den 5. September 2015 markiert eine Wende in der deutschen Politik: Angela Merkel erlaubt die Einreise tausender Flüchtlinge, denen hunderttausende folgen. Was ist zwölf Monate später aus Merkels Losung: „Wir schaffen das“geworden?
● Zustrom Zu den wesentlichen Zielen der Kanzlerin gehörte es, die Flüchtlingszahlen spürbar zu reduzieren. Sie scheiterte damit, die anderen EU-Länder zur Übernahme von Flüchtlingen nach Quoten zu bewegen. Dennoch ging der Zustrom deutlich zurück. Zwei umstrittene Hebel wirken gleichermaßen: Die Schließung der Balkanroute, die gegen Merkels Willen von Österreich und den Anrainerstaaten erzwungen wurde. Und ebenso bremst der von Merkel in der EU durchgesetzte Flüchtlingspakt mit der Türkei den Zustrom: Seit April hat sich die Zahl neuer Flüchtlinge bei rund 16000 eingependelt. Bliebe es dabei, kämen im Wahljahr 2017 rund 200 000 Asylbewerber ins Land, so viele wie allein im Monat November 2015. Doch ob sich die Türkei auf Dauer an den Flüchtlingspakt hält, weiß niemand.
● Integration Hier sind noch immer viele Hauptprobleme ungelöst: Derzeit leben – Stand August – in Deutschland etwas mehr als 1,3 Millionen Flüchtlinge. Doch über die Hälfte davon hat noch keine Entscheidung über ihren Asylantrag erhalten – oder ihn wegen des Bearbeitungsstaus beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch gar nicht stellen können. Die Antrags-Entscheidung ist aber die wichtigste Grundvoraussetzung für Integration. Doch selbst für Flüchtlinge „mit guter Bleibeperspektive“fehlen Plätze in Deutsch- und Integrationskursen. Im Jahr 2015 hatten laut Bamf 283400 Flüchtlinge einen Anspruch auf einen Kurs – doch über 100000 bekamen gar keinen Platz. Dieses Jahr hat sich diese Lücke trotz mehr Personals mindestens verdoppelt. Nach wie vor fehlt es an Lehrern. Und nur 60 Prozent der Teilnehmer bestanden 2015 am Ende den Deutschtest.
● müssenden zungen FlüchtlingeBildung Bundesländen laut Schät-derzeitulen leisten: Inüber minderjährige Die gtegrationsarbeit nehult – genaue StatistikenKinder sen unterrichteder Er-werden eute nicht. Diegib wachsenen ist se chiedlich: Nach der Erhebung dhaben 36 Pron zent der 2015 ren Asylbewerber über 18 Jahren schule oder ein Gymnasium bes 31 Prozent eine Mittel- oder Fa . Aber 23 Prozent besuchten rundschule und acht Prozent gahule ● Arbeitsmarkt liegenden Asyl
entscheid und Denntnisse haber. Flüchtlinge kau Chance auf dem Arbeitsmarkt. Ut mit diesen Voraussetzungen ischwer für sie: Die Bundesage Arbeit schätzt, dass bislang maxer achte arbeitssuchende Flüchn Job gefunden hat. Die Agentzuletzt 136 000 Menschen aus Anftsländern, die einer sozialvers pflichtigen Ar-
beit nachgehen. Zugleich sind 322 000 Flüchtlinge als arbeitssuchend registriert. Die Bundesagentur erwartet, dass – nach bisherigen Erfahrungen – in fünf Jahren die Hälfte der erwerbsfähigen Flüchtlinge einen Job gefunden haben wird und erst nach 15 Jahren 70 Prozent.
● Kriminalität Nach Angaben des Bundeskriminalamts hat der Zustrom an Flüchtlingen unter dem Strich nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt. Gemessen an ihrem jeweiligen Anteil an den Zuwanderern waren jedoch Marokkaner, Algerier, Georgier, Serben und Tunesier überproportional häufig unter Tatverdächtigen. Syrer, Afghanen und Iraker dagegen unterdurchschnittlich. In den ersten drei Monaten dieses Jahres zählte das BKA 69000 Straftaten durch Zuwanderer: In 67 Prozent der Fälle handelte es sich meist um Diebstähle, Schwarzfahren oder Betrugsdelikte. In 23 Prozent um Körperverletzungen, Nötigung oder Bedrohung. In 700 Einzelfällen handelte es sich um Sexualdelikte, in rund hundert Fällen um versuchte oder vollendete Tötungsdelikte.
● Kosten Laut einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums rechnet der Bund für den Zeitraum bis 2020 mit insgesamt 25,7 Milliarden Euro Kosten für Grundsicherung und Unterbringung von Flüchtlingen. Nach 15 Monaten Aufenthalt erhalten Flüchtlinge maximal 364 Euro pro Monat. Zuvor sind es zwischen 114 und 219 Euro für Erwachsene. Zudem übernimmt der Staat die Unterbringungskosten. Für Sprachkurse plant der Bund 5,7 Milliarden Euro ein; für Eingliederungshilfen ins Berufsleben fünf Milliarden. Trotz der Milliardenausgaben verbuchen Bund und viele Länder und Kommunen dank hoher Steuereinnahmen Haushaltsüberschüsse.
● Asylverfahren Die Zahl der Bamf-Mitarbeiter wurde von 2300 auf 8000 aufgestockt. Allerdings sind noch immer über eine halbe Million Asylanträge nicht entschieden. Die Anerkennungsquote für Flüchtlingsschutz lag im ersten Halbjahr 2016 bei 61,5 Prozent; 109000 Asylanträge wurden abgelehnt. 35 000 abgelehnte Asylbewerber reisten freiwillig aus, 16 430 wurden abgeschoben.