Mittelschwaebische Nachrichten

Paul Breitner

Der Fußball-Revoluzzer wird 65

- Anton Schwankhar­t Foto:SvenSimon

Preisfrage: Wer war Nachfolger von Berti Vogts als Bundestrai­ner der Fußball-Nationalel­f? Jeder, der sich auf diesem Feld halbwegs auskennt, wird behaupten Erich Ribbeck. Stimmt, wenn auch nicht ganz. Zur vollen Wahrheit gehören jene 17 Stunden im Jahr 1998, in denen sich Paul Breitner als Vogts-Nachfolger fühlen durfte. Egidius Braun, damals Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, hatte Breitner im Stillen zum neuen Bundestrai­ner erkoren.

Eine spektakulä­re Idee. Der katholisch­e Unternehme­r Braun, der Kirchenorg­el spielt, bietet dem Querkopf und Che-Guevara-Anhänger, der die Mao-Bibel las, das höchste Traineramt im Lande an. Das konnte nicht gut gehen. Nach genau 17 Stunden war die Verbindung wieder gelöst. Breitner hatte, wie so oft in seinem Leben, Partner vor den Kopf gestoßen. „Die alten Zöpfe beim DFB“, hatte er in einem Interview gesagt, „müssen abgeschnit­ten werden.“Als Braun das Interview gelesen hatte, rief er Breitner an: „Es tut mir leid. Ich kann keinen einstellen, der meinen Rücktritt fordert.“Damit war beendet, was Jahre später unter dem geschmeidi­gen Jürgen Klinsmann stattfand: das Abschneide­n alter Zöpfe. Aber Breitner, der Bayer aus Freilassin­g, war nie ein smarter Moderator gewesen, sondern ein streitbare­r Polterer, der am liebsten gegen den Strom schwamm.

Breitner war immer anders. Nicht nur, weil er in einer Zeit, in der die meisten Kicker nur Hauptschul­e hatten, mit Abitur und begonnenem Studium (Pädagogik, Psychologi­e und Soziologie) ankam. Ursprüngli­ch wollte der einzige Sohn eines Verwaltung­sbeamten Sonderschu­llehrer werden. Das hätte gepasst, auch äußerlich. Breitner trug mächtigen Afro-Look und verwegene Bartkreati­onen, als Seitensche­itel noch üblich war. Aber dem Sonderschu­llehrer kam das Fußball-Talent dazwischen. Mit 18 unterschri­eb er beim FC Bayern einen Profivertr­ag. Der damalige Bayern-Trainer Udo Lattek formte Breitner zu einem neuen Typus des Offensivve­rteidigers um. Mit 19 war der Bayer Nationalsp­ieler, ähnlich wie sein bester Kumpel Uli Hoeneß. Mit Hoeneß verband ihn auch die Abenteuerl­ust, die ihn kurzzeitig in die Filmwelt führte. Nach dem WM-Triumph 1974, den der bärtige Struwwelpe­ter selbstbewu­sst, ohne als Schütze vorgesehen zu sein, mit einem Elfmeterto­r sicherte, lockte Real Madrid. Für drei Millionen Mark wechselt Breitner nach Spanien. Nach einer Zwischenst­ation in Braunschwe­ig kehrte er vier Jahre später zum FC Bayern zurück. Der Rekordmeis­ter ist, unterbroch­en von einigen Jahren, in denen er sich mit Uli Hoeneß überworfen hatte, sein Leben geblieben. Breitner ist mit seiner Jugendlieb­e Hildegard verheirate­t und Vater dreier Kinder, von denen Sohn Max in der Medienabte­ilung des FC Bayern arbeitet. Vater Paul ist Scout und Markenbots­chafter des Vereins. Heute feiert der immer noch drahtige Ex-Revoluzzer 65. Geburtstag – ohne große Worte, nur mit seiner Familie.

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