Mittelschwaebische Nachrichten

Der aus dem Ruhrpott

Erwin Sellering ist ein Wessi. Wie der SPD-Politiker zum populären Ministerpr­äsidenten im Osten wurde

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Schwerin Für Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidenten Erwin Sellering ist mit 66 noch nicht Schluss. Trotz deutlicher Stimmenver­luste bleibt die von ihm geführte SPD stärkste Partei im Land und kann so erneut über die Zusammense­tzung der künftigen Regierung bestimmen. Der neuerliche Wahlsieg im Nordosten kann maßgeblich dem Regierungs­chef zugeschrie­ben werden, der seit 2008 im Amt, in der Partei unumschrän­kt die Nummer eins und bei den Bürgern sehr populär ist. 64 Prozent der Bevölkerun­g zeigten sich in einer Umfrage vor der Wahl mit seiner Amtsführun­g zufrieden. Kein anderer ostdeutsch­er Regierungs­chef erreichte diesen Wert. Auch deshalb richtete die SPD im Nordosten ihren Wahlkampf ganz auf Sellering aus.

Der in Sprockhöve­l bei Bochum geborene Westfale war 1994 mit seiner Familie nach Greifswald gezogen, wo er Vorsitzend­er Verwaltung­srichter wurde. Im gleichen Jahr trat er in die SPD ein und rückte bald in den Landesvors­tand auf. 1998 wechselte Sellering in die Politik. Der damalige Ministerpr­äsident Harald Ringstorff holte ihn in die Staatskanz­lei, machte ihn 2000 zum Justiz- und 2006 schließlic­h zum Sozialmini­ster. Seine Loyalität zu Ringstorff förderte den politische­n Aufstieg. Und Sellering nutzte seine Chancen auch beherzt, wie 2007, als er Agrarminis­ter Till Backhaus als Landespart­eichef ablöste und damit erster Anwärter für den Posten des Ministerpr­äsidenten wurde.

2008 übergab Ringstorff die Amtsgeschä­fte. Über die Landesgren­zen hinaus bekannt wurde Sellering mit seinem umstritten­en Werben für die Akzeptanz von DDR-Biografien. Für seine Aussage, die DDR sei kein totaler Unrechtsst­aat gewesen, musste er Kritik aus allen politische­n Lagern einstecken, erhielt aber auch Zustimmung. Der von ihm trotz bestehende­r Handelsbes­chränkunge­n initiierte Russlandta­g 2014 fand ebenfalls ein geteiltes Echo. Mit großer Vehemenz macht sich Sellering seit Jahren für die Ost-West-Rentenangl­eichung stark.

Sellering gilt als Pragmatike­r ohne ideologisc­he Scheuklapp­en und als kommunikat­iver Teamspiele­r. Die von ihm geführte Große Koalition arbeitete weitgehend geräuschlo­s, machte in den vergangene­n zehn Jahren keine Schulden und behielt auch in der Flüchtling­skrise die Übersicht. Kritiker werfen ihm vor, Probleme „wegzuläche­ln“.

Für private Schlagzeil­en sorgte der Regierungs­chef im Jahr 2010, als er die 26 Jahre jüngere Britta Baum heiratete. Sellerings zweite Frau arbeitet im Bundesfina­nzminister­ium. Beide leben in Schwerin und haben einen zweijährig­en Sohn. Aus Sellerings erster Ehe stammen außerdem zwei inzwischen erwachsene Töchter. (dpa)

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Foto: dpa Erwin Sellering (rechts) mit CDU-Spitzenkan­didat Lorenz Caffier.

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