Mittelschwaebische Nachrichten
Merkel und Erdogan wollen sich wieder vertragen
Am Rande des Treffens der Staatschefs im chinesischen Hangzhou spielen die zwischenzeitlich abgekühlten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland eine Rolle. Die Kanzlerin setzt auf Entspannung
Hangzhou. Das eigentliche Thema der großen Gesprächsrunde beim diesjährigen G-20-Gipfel ist zwar die Wirtschaft, doch die Teilnehmer nutzen das Treffen vor allem, um schwelende außenpolitische Konflikte zu glätten. Kanzlerin Angela Merkel hat sich mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan getroffen, um die Beziehungen zwischen ihren Ländern wieder zu verbessern. Sie erwartet nun schon für die kommenden Tage eine Beilegung des Streits um Besuche der Luftwaffenbasis Incirlik durch deutsche Parlamentarier. Das sagte Merkel am Sonntag in Hangzhou.
Die Türkei hatte ranghohen deutschen Politikern den Besuch bei deutschen Soldaten in Incirlik verweigert, nachdem der Bundestag den Völkermord an Armeniern vor hundert Jahren kritisiert und damit den Zorn Erdogans hervorgerufen hatte. In China hat der türkische Staatschef nun Signale der Entspannung gesendet. In der Flüchtlingsfrage und beim Umgang mit der „katastrophalen Situation“in Syrien hält die Kanzlerin seit dem Gespräch mit Erdogan nun ebenfalls „positive Nachrichten“zumindest für möglich. Das Treffen zwischen dem türkischen Staatschef und Merkel war auch grundsätzlich wichtig: Seit einem versuchten Militärputsch in der Türkei und zunehmendem Streit um die Umsetzung eines Flüchtlingsabkommens hatte Eiszeit zwischen den beiden Ländern geherrscht. Jetzt kommt offenbar wieder ein Dialog in Gang.
US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Wladimir Putin haben sich derweil bemüht, konkrete Voraussetzungen für einen Waffenstillstand in Syrien zu schaffen. „Wir haben zwar noch nicht alles geklärt“, sagte Obama am Sonntagnachmittag in der chinesischen Großstadt Hangzhou. Doch beide Seiten seien auf einem guten Weg zu einer Einigung.
Der Konflikt in Syrien gilt als Hauptursache für die derzeitigen Die USA und Russland unterstützen dabei unterschiedliche Kriegsparteien. Diplomaten beider Seiten arbeiten daher schon seit Wochen an einer Übereinkunft, die die beiden Präsidenten nun auf dem G-20-Gipfel abschließen könnten. Obama warnt jedoch vor allzu hohen Erwartungen: „Russland und wir sind uns weiterhin uneinig, welche Seite zu unterstützen ist und wie ein Friedensprozess aussehen könnte.“Doch die Präsidenten sind sich einig, dass eine Atempause nötig ist, damit Konvois mit Lebensmitteln, Medikamenten, Zelten und andere Hilfsgütern zu den betroffenen Menschen vordringen können.
In Hangzhou treffen sich am Sonntag und Montag die Regierungschefs der 20 wichtigsten WirtFlüchtlingsbewegungen. schaftsnationen zu ihrem jährlichen Gipfel. Das Abschlussdokument am Montag wird sich vor allem mit der Belebung der Weltwirtschaft beschäftigen. Während auf früheren Gipfeln vor allem die Freisetzung von immer mehr billigem Geld als Allheilmittel galt, steuern die Spitzenpolitiker nun wieder mehr in Richtung einer grundsätzlichen Stärkung der Wirtschaft. Strukturreformen und freier Handel stehen nun wieder mehr im Vordergrund, sagte Merkel nach der ersten Gesprächsrunde. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat am Sonntag angekündigt, auch die Frage einer gerechteren Verteilung der Flüchtlingshilfe zum Thema des Gipfels zu machen. Das Thema wird vermutlich auch in die Abschlusserklärung einfließen.
Die chinesischen G-20-Gastgeber demonstrierten derweil ihre neue Rolle als Weltmacht – und verhielten sich dabei zuweilen auch kleinlich. Für den amerikanischen Präsidenten fand sich am Flughafen „versehentlich“kein roter Teppich, und chinesische Sicherheitsleute trennten ihn von US-Journalisten. „Das ist unser Flughafen, hier haben wir das Sagen“, riefen sie den verdutzten Amerikanern zu. Obama zeigte sich souverän und bestand darauf, aus dem Zwischenfall keine große Sache zu machen. Er verwies stattdessen auf die starken Ergebnisse der Gespräche im Vorfeld des Gipfels.
„Russland und wir sind uns weiterhin uneinig, welche Seite zu unterstützen ist und wie ein Friedensprozess aussehen könnte.“