Mittelschwaebische Nachrichten
Einfach zum Anbeißen
Wenn dem Menschen die Argumente ausgehen, wird er bisweilen handgreiflich. Das ist im Grunde nichts Neues. Früher trugen Hiesige aus dem Ruder gelaufene Meinungsverschiedenheiten gerne mit zünftigen Wirtshausschlägereien aus. Da wurde dann aufeinander eingedroschen, was das Zeug hielt, auch mal mit robustem Trinkgefäß. Noch 2009 warnte das US-Konsulat amerikanische Staatsbürger vor dem Besuch von Garmisch-Partenkirchen, weil dort nach einem Vorfall temporär die Gefahr bestand, dass die Amis ordentlich vermöbelt werden. Die Münchner Polizei stufte das damals als „alltägliche Wirtshausschlägerei“ein.
Inzwischen haben sich die Kategorien verändert. Echte Prügel sind offenbar auch in Bayern nicht mehr gesellschaftsfähig. Man nennt sie Gewaltexzesse. Nurmehr selten liest man nach Volksfesten montags noch davon.
Stattdessen zeichnet sich ein neuer Trend ab, bei dem insbesondere die Hüter der staatlichen Ordnung Leidtragende sind: Kein Witz! – Die Zahl der Beißattacken gegen Polizisten in Bayern nimmt rasant zu. 281-mal sind „Bullen“, wie Polizisten von Rechtsbrechern beschimpft werden, im Freistaat 2015 von Menschen gebissen worden. Das geht aus jüngsten Zahlen des Bayerischen Landeskriminalamts hervor. 2014 wurden noch 256 gebissene Beamte gezählt, im Jahr zuvor 223 und 2012 sogar nur 198.
Was ist da los? Sind die Bayern mädchenhaft geworden oder handelt es sich um ein süddeutsches Vampirphänomen? An den Haaren ziehen, Kratzen und Beißen war zumindest in ländlichen Regionen gerade unter Buben extrem verpönt. Lieber ließ man sich vom Stärkeren verprügeln, als dass man einen Gegner gebissen hätte.
Ob der bulldoggengesichtige Boxer Tyson, der seinem Gegner 1997 fast das Ohr abgekaut hätte, der Vater dieser zeitgeistlichen Entwicklung ist, konnte an dieser Stelle nicht geklärt werden. Es wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Begriff Maulkorberlass in Bayern künftig auf Antrag der Polizeigewerkschaft nicht mehr auf ein Redeverbot begrenzt bleibt.