Mittelschwaebische Nachrichten

Einfach zum Anbeißen

- VON JOSEF KARG jok@augsburger-allgemeine.de

Wenn dem Menschen die Argumente ausgehen, wird er bisweilen handgreifl­ich. Das ist im Grunde nichts Neues. Früher trugen Hiesige aus dem Ruder gelaufene Meinungsve­rschiedenh­eiten gerne mit zünftigen Wirtshauss­chlägereie­n aus. Da wurde dann aufeinande­r eingedrosc­hen, was das Zeug hielt, auch mal mit robustem Trinkgefäß. Noch 2009 warnte das US-Konsulat amerikanis­che Staatsbürg­er vor dem Besuch von Garmisch-Partenkirc­hen, weil dort nach einem Vorfall temporär die Gefahr bestand, dass die Amis ordentlich vermöbelt werden. Die Münchner Polizei stufte das damals als „alltäglich­e Wirtshauss­chlägerei“ein.

Inzwischen haben sich die Kategorien verändert. Echte Prügel sind offenbar auch in Bayern nicht mehr gesellscha­ftsfähig. Man nennt sie Gewaltexze­sse. Nurmehr selten liest man nach Volksfeste­n montags noch davon.

Stattdesse­n zeichnet sich ein neuer Trend ab, bei dem insbesonde­re die Hüter der staatliche­n Ordnung Leidtragen­de sind: Kein Witz! – Die Zahl der Beißattack­en gegen Polizisten in Bayern nimmt rasant zu. 281-mal sind „Bullen“, wie Polizisten von Rechtsbrec­hern beschimpft werden, im Freistaat 2015 von Menschen gebissen worden. Das geht aus jüngsten Zahlen des Bayerische­n Landeskrim­inalamts hervor. 2014 wurden noch 256 gebissene Beamte gezählt, im Jahr zuvor 223 und 2012 sogar nur 198.

Was ist da los? Sind die Bayern mädchenhaf­t geworden oder handelt es sich um ein süddeutsch­es Vampirphän­omen? An den Haaren ziehen, Kratzen und Beißen war zumindest in ländlichen Regionen gerade unter Buben extrem verpönt. Lieber ließ man sich vom Stärkeren verprügeln, als dass man einen Gegner gebissen hätte.

Ob der bulldoggen­gesichtige Boxer Tyson, der seinem Gegner 1997 fast das Ohr abgekaut hätte, der Vater dieser zeitgeistl­ichen Entwicklun­g ist, konnte an dieser Stelle nicht geklärt werden. Es wird jedoch nicht ausgeschlo­ssen, dass der Begriff Maulkorber­lass in Bayern künftig auf Antrag der Polizeigew­erkschaft nicht mehr auf ein Redeverbot begrenzt bleibt.

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